Wenige Anlässe bieten ein ähnlich hohes Potential für Enttäuschung wie der Beginn der Forellensaison. Obwohl ganz streng genommen, in allen mit hohen Erwartungen aufgeladenen Ereignissen beachtliches Maß für Ernüchterung steckt. Die überschwängliche Fantasie aber, die kennt meist keine widrigen Umstände. Meine idealisierten Vorstellungen möchte ich mir zwar nicht nehmen lassen, eine Prise Realitätssinn schadet aber nicht. Andere nennen es einfach Erfahrung.
So auch mein Angelfreund mit dem ich mich lose und unverbindlich zur Saisoneröffnung am ‘Vereinsheim’ traf. Er beschloss früh, wozu ich mich erst nach ein- bis zweistündiger halbherziger Fischerei durchringen konnte: Heute macht es keinen Sinn, auf Fische zu hoffen. Er bleibt beim Fliegenbinden. Und das obwohl in seinen eigenen Worten, die Angelei und das Fliegenfischen ein einziges Spiel mit der Hoffnung sei.
Die wurde für ihn aber schon im Keim erstickt, als mit dem fallenden Barometer und Thermometer innerhalb weniger Stunden, eine drastische Veränderung ins Negative festzustellen war. Das für eine Woche lang anhaltende Hochdruckwetter mit seinen beinahe sommerlichen Temperaturen wich einem kräftigen Wind aus Ost. Und “bei Wind aus Osten” lass bekanntlich “den Haken rosten”. Zwar ließ sich die Sonne immer wieder blicken und gaukelte ein wenig Hoffnung vor. Wenn aber der Wind das Wasser kräftig gegen die Fließrichtung kräuselt, stellt sich auch bei ewigen Optimisten wie mir Resignation ein.
Wehmütig denke ich an einen Saisonstart vor Jahren zurück, als milde Temperaturen alle im Fluß anwesenden Lebewesen zu tätigem Treiben animierten. An schlüpfende Insekten die mir, selbst noch vom Winter behäbig, um die Ohren flogen. An Forellen die ihr Glück genau so wenig fassen konnten wie ich und die ohne große Vorsicht für kurze Zeit ein Insekt ums andere von der Oberfläche pflückten. Es sind diese Momente – wahrhaftig ereignen sie sich selten und brennen sich vermutlich darum in unser Gedächtnis – die zum Mythos Fliegenfischen beitragen.
Vermutlich ließen sich ein Dutzend oder mehr fischereiliche Vorkommnisse auflisten, die als Erzählung Jahre wenn nicht Jahrzehnte überdauern, auf die zu treffen man hofft, die uns ein ums andere Mal ans Wasser gehen lassen. Egal ob die Bedingungen ideal oder widrig erscheinen. Es sind die Berichte und Bilder von Steig- und Bissformen, von Sprüngen und Fluchtverhalten die wir auch erleben wollen. Mehr noch als die Länge oder das Gewicht des Fangs, sind es die Umstände die sich in unserem Gedächtnis einprägen.
Auch wenn es mir rasch dämmerte, es würde ein steiniger Weg werden, mich ins Fangbuch einzutragen, fühlte es sich gut an, wieder im Fluss zu stehen und die Rute zu schwingen. Genau gelesen! Schwingen, nicht schlenzen – auch wenn Letzteres vermutlich zielführender gewesen wäre. Entgegen allem Erfolgsstreben wollte ich einfach feststellen, ob das im Vorjahr Erlernte soweit in Fleisch und Blut überging, dass ich es mühelos wieder abrufen können.
Tatsächlich hatte ich die ganze letzte Saison fast ausnahmslos mit nichts anderem zugebracht, als mir Spey-Casting mit der Einhandrute beizubringen. Schließlich möchte ich die Techniken des tollen Buches, das ich 2024 veröffentlichte, auch selbst beherrschen. Und siehe da: Der Circle Spey sitzt, der Double Spey klappt ganz gut, am Single Spey – Experten wird das nicht überraschen – muss ich noch arbeiten und den Snake Roll praktiziere ich schon seit Jahre, ohne zu wissen, dass er zu den Richtungswechselwürfen zählt. Die Winterpause bzw. die Schonzeit schien sogar gut getan zu haben. Mühelos erreichte ich Weiten, für die ich mich im letzten Jahr – so meine Erinnerung – noch geplagt hätte.

Ein Taktikwechsel hin zu einer am Flussgrund orientierten Angelei hätte wahrscheinlich dabei unterstützt, mich an diesem Tag zu entschneidern. Letztlich überwog aber die Neugierde daran, aufgrund moderater Wasserstände Flussabschnitte zu befischen, die sich für Euro-Nymphing Techniken weniger eignen und die bei mittleren bis erhöhten Wasserständen wie sie im letzten Jahr beinahe durchgehend auftraten, unmöglich watend zu begehen sind. Vielleicht lag der ausbleibende Erfolg auch daran, dass ich anders als in manchen Jahren zuvor, darauf vergaß, in alter britischer Manier dem Fluss meine Aufwartung zu machen, um die Gunst der Flußgötter zu erbitten. Schließlich ist die Saisoneröffnung ein feierlicher Moment.
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