Lage, Lage, Lage – lautet nicht nur das Mantra beim Immobilienkauf. Geht es auf Reisen, sind für mich Landschaft und Unterkunft mindestens genau so wichtig, wie die Schönheit und Größe der zu fangenden Fische. Komfort zählt dabei weniger – Charme und Liebe zum Detail macht’s aus. Und einen Reisebericht mit der Abbildung des größten Fisch zu beginnen, gleicht, beim ersten leidenschaftlichen Öffnen der Lippen seines Gegenübers, den Schlitz zu öffnen und auszupacken. Nicht dass es verwerflich wäre, wenn es flott zur Sache geht – im Gegenteil – doch Spannung und Aufregung sind letztlich befriedigender. In Zeiten sofortiger Belohnung, mag das nur etwas in Vergessenheit geraten sein.
Und Mensch, mussten meine Reisebegleitung Veit Dresmann, als sehr guter Freund angeheuert für die Fotografie – und um ehrlich zu sein, weil er wirklich ein Break brauchte – und ich, konzentriert für unsere Belohnung arbeiten. Denn als hart möchte ich es nicht bezeichnen, denn ganzen Tag in einem Boot zu sitzen, umgeben vom magischen Ambiente der Yorkshire Dales. Einer dünn besiedelten Tal- und Hochmoorlandschaft in Nordengland, geformt während der letzten Eiszeit.
Hart waren einzig die Bootsplanken, die unser Sitzfleisch nach acht Stunden strapazierten. Notiz an mich selbst, endlich ein günstiges Bootskissen zu besorgen – zu haben für €20. Hart mag unter Umständen das Rudern, eines der vier zum Verleih bereitstehenden Boote sein, wenn der Wind so richtig um die Ohren pfeift. Als wir dort waren, hatten wir diesbezüglich Glück. Zumal wir am zweiten Tag unseres Ausflugs nach Malham Tarn, die nun einigen Lesern dieser Seite bekannten nordenglischen Fliegenfischer Matt Eastham und Rob Denson trafen. Beide hatten Elektromotoren dabei.
Malham Tarn ist nämlich eine ‘Site of Scientific Interest (SSSI)’. Ein nach dem britischen ‘Wildlife and Countryside Act’ von 1981 geschütztes Gebiet, das von besonderem Interesse für den Naturschutz ist. Benzinmotoren würden somit das fragile Gleichgewicht, des im Kalkgestein der Yorkshire Dales eingebetteten Sees nachteilig beeinträchtigen. Selbst die Wege rund um den 62 ha großen See, sind den (Jung)-biologen des ‘Field Study Councils’, einer Stiftung zur Umweltschutzerziehung vorbehalten, die in einer majestätisch wirkenden Sandstein ‘Hunting Lodge’ für Lord Ribblesdale aus dem dem 19. Jhdt. untergebracht sind. Fliegenfischen vom Ufer scheidet somit aus. Denn sensible Farne, Flechten und Moose setzt man Watschuhen am besten nicht aus.
Malham Tarn – Tarn die englische Bezeichnung für einen Gebirgssee – ruht auf fruchtbarem Kalkgestein. Anders als alpine Karseen, ist er nicht besonders tief und misst an seiner tiefsten Stelle etwa vier Meter, im Schnitt sogar nur 2,5. Somit ist das Seebett überzogen von großen Krautfeldern – Lebensraum für Köcherfliegen, Zuckmücken, Eintagsfliegen und Barschen. An den gerölligen Ufer nisten Bachflohkrebse. Kein Wunder, dass die Forellen bei diesem Nahrungsangebot zu stattlicher Größe heranwachsen. Womit wir beim eigentlichen Grund für unseren Ausflug angekommen sind – wir sind immerhin zum Fliegenfischen gekommen. Auch wenn die atemberaubende Landschaft in Momenten, als das Pendel zwischen Euphorie und Resignation seinen Tiefpunkt erreichte, uns daran erinnerte, wie glückselig wir hier eigentlich sind. Nur die Krönung ließ noch auf sich warten.
Seit geraumer Zeit hatten Matt und Rob mir von ihren Ausflügen berichtet, mir mit ihren Berichten förmlich das Wasser in meinem Mund zusammen rinnen lassen. Es sei nichts für halbherzige Fliegenfischer warnten sie mich aber. Ja die wilden Forellen in Malham Tarn – versteht sich von selbst, dass in einem Gebiet von höchst biologischem Wert, keine Besatzfische eingebracht werden – erreichen unglaubliche Größen. Fische in der Größe von sechs Pfund sind überhaupt keine Seltenheit und eine durchschnittliche wilde Brownie in Malham Tarn, bringt es auf 2,5 – 3 Pfund. Eine Gewichtsklasse, die sie zudem in ganz wenigen Jahren erreicht, aufgrund des reichhaltigen Nahrungsangebots. Und dort wo die biologische Wachstumspyramide in Ordnung ist, tummeln sich auch nur wenige Fische in dieser Größenklasse.
So wurde ich darauf vorbereitet, dass der Fang von ein bis zwei Fischen einen guten Tag ausmacht. Dass Stunden vergehen können zwischen Bissen. Dass ich bis zum letzten Wurf meine Konzentration beibehalten müsse – keine einfache Aufgabe an einem zehnstündigen Angeltag. Dass die beiden nicht übertrieben, davon konnten wir uns an diesem Tag überzeugen. Dabei erschien es anfangs fast unglaubwürdig. Als Rob und ich zur ersten Drift ansetzten, legte er eine Rutenlängen Schnur am Wasser ab. Noch ehe er zum ersten Wurf ansetzte, schob sich ein braun-gelber Schatten aus der Tiefe hoch und rollte über die Nassfliege. Schade nur, dass die 4,5 pfündige Forelle die Fliege in letzter Sekunde als das erkannte, was sie war und letztlich nur an der Brustflosse gehakt war. Rob’s nächster Biss sollte erst fünf Stunden später erfolgen.
So verbringt man also die Zeit damit, nach den wenigen, großen Forellen zu suchen. Mit Taktiken, die selbst im Loch-Style Fishing verliebten England, etwas aus der Mode gekommen sind. Denn die Forellen in Malham Tarn reagieren noch immer am besten auf klassische Nassfliegen. Durchaus im neuen Gewand, wenn man sich die umwerfenden Kreationen auf Rob Denson’s Website ansieht, die an unseren Monos baumelten. Dabblers, Palmers, Invictas – sie alle fanden Platz an unseren langen Vorfächern. Wie beim klassischen englischen/schottischen/irischen Nassfliegenfischen vom Boot, immer in einer Kombination aus drei Fliegen. Die buschigste am Top Dropper ganz oben, die schlankste am Strecker – dem sogenannten Point – und in der Mitte die, mit dem größten Reizeffekt.
Als es um Mittag ins Bootshaus ging – dem elegantesten der Welt – hatte bis auf Matt Eastham, niemand einen Fang vorzuweisen. Sieht man von einigen Barschen und kleinen Forellen ab. Traditionell werden die hier aber nicht gezählt, als würde man sich ein zusätzliches Handicap auferlegen. Denn wegen diesen waren wir allesamt nicht hier. Sandwiches, Scones & Clotted Cream, Bitter und Whisky vor uns ausgebreitet, war trotz allem die Laune bestens. Schließlich wussten wir worauf wir uns einließen, bevor wir Malham Tarn besuchten. Dieser eine oder andere außergewöhnliche Fisch, nach Stunden um Stunden der kurzen Würfe. Für viele Fliegenfischer neu beim Loch-Style Fliegenfischen, eine der größten Herausforderungen. Was nützt der fünfundzwanzig Meter Wurf, wenn fünfzehn davon unbefischt bleiben? Die ausgelegte Schnur an der Breitseite, fängt keine Fische, wenn das Boot über diese Fläche treibt. Genauso wenig die Fliege in der Luft.
Während der Stärkung Witze gerissen, nach der Stärkung den Ernst der Lage erkannt: Lagebesprechung. Trotz der geringen Tiefe des Sees, ist Malham Tarn kein besonders lebendiges Oberflächenwasser. Ja ja, man sieht den einen oder anderen Fisch an der Oberfläche. Doch ohne wirkliche Regelmäßigkeit darin zu erkennen. Scheinbar finden die großen Forellen an Malham Tarn den Großteil ihrer Nahrung, zwischen den ausgedehnten und ergiebigen Krautfeldern. Die oberflächennahen Fliegen werden bei der geringen Wassertiefe schon gesehen – bislang lohnte es sich für die Fische offensichtlich nicht, sich dafür in Bewegung zu versetzen. Aus genau dem Grund, ist die Schwimmschnur nicht die erste Wahl für viele Fliegenfischer hier. So vermischen sich traditionelle Fliegen mit modernen Anbietetechniken. Also runter mit der Intermediate und rauf mit einer Di3 Schnur.
Schon nach erstaunlich kurzer Zeit wurde mein positive Grundhaltung, an diesem Tag mit Sicherheit noch erfolgreich nach Hause zu gehen belohnt. Mit einem gleichmäßigen Anheben der Rute vor dem nächsten Wurf, noch einige Sekunden die Fliegen im Wasser ’hängen’ gelassen, war dann für einen 3,5 pfündigen Rogner doch zu unwiderstehlich. Ich führe es noch immer zu einem gewissen Grad auf das Austauschen der Top Dropper Fliege, auf eine aus meinem Sortiment zurück – wir waren hier ja schließlich unter uns. So manch ein Ghillie oder Guide reagiert etwas verschnupft, wenn die von ihm sorgfältig gewählte Fliege, eigenmächtig ersetzt wird. Doch unter Freunden macht es Sinn solange unterschiedliches zu probieren, bis die Erfolgsformel ermittelt wird. Schon kurz danach, bestätigte sich meine Fliegenwahl – ein gefetteter, oranger Sedgehog an der Sinkschnur – erneut und ein zorniger Milchner, stellte mich und mein Gerät (10’ 5er Rute) auf die Probe. Schön, dass auch ich einen kleinen Beitrag zu unserem gemeinsamen Erfolg beitragen konnte. Denn es sollte nicht der letzte schöne Fisch in unserem Boot bleiben.
Und so neigte sich nach und nach ein zweitägiger Ausflug nach Malham Tarn zu Ende, der bleibende Eindrücke von Natur und Mensch hinterließ. Den ganzen Tag auf einem Boot über einen See zu treiben, in ständiger Erwartung auf einen Ruck der durch die Schnur geht, verlangt höchste Konzentration. Auch wenn es nicht so erscheinen mag. Abgelenkt durch traumhafte, von Flechten und Moosen überzogene Hügel, die Rufe der Birkhühner in den Ohren, das einlullende Schaukeln des Bootes, lässt einen manchmal vergessen, warum man eigentlich hier ist. Eine bittere Erfahrung die auch wir das ein oder andere Mal machen mussten, als der Anhieb in einen guten Biss zu früh oder zu spät kam. Einig waren wir uns aber alle, dass wir eine in jeder Hinsicht unglaubliche Zeit erfahren durften. Menschlich, fischereilich, kulinarisch. Malham Tarn – wir werden uns regelmäßiger sehen!
Für interessierte Leserinnen und Leser an einer Reise nach Malham Tarn, bin ich bei Fragen jederzeit da. Gerne übernehme ich auch die Organisation der Reise – Info zu Anreise, Sehenswürdigkeiten und Freizeitaktivitäten, Buchung des Ferienhauses, Guide und Fischereilizenzen. Füllt bitte untenstehendes Formular aus und schlüsselt in einigen Worten auf: wie viele Personen, Zeitpunkt des Urlaubs, Zielfische (z.B. Forelle, Äsche, Lachs) und ich erstelle ein attraktives Angebot. Freue mich von Euch zu hören!
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