Ein Jahr danach wollte ich wissen, wie es so aussieht dort, wo am 14. Juli 2021 sich ein Starkregen ergoß, der 94,5 Liter Wasser auf einen Quadratmeter niederprasseln ließ. Zum Vergleich: die mittlere Tagesmenge im Ahrtal beträgt 2,3l. Ein Unwetter das den Wasserpegel des rheinland-pfälzischen Mittelgebirgsflusses von durchschnittlich 50cm auf über 9 Meter anschwellen ließ. Ein sogenanntes Jahrhundertereignis das sich in diesem Ausmaß nicht zum ersten Mal im Ahrtal ereignete, wie Aufzeichnungen belegen, die bis ins Spätmittelalter zurück reichen.
Anders als damals aber sind die Häuser an der Ahr im 21. Jhdt. dichter und enger an die Wasserlinie gebaut. Experten vermuten darin den Hauptgrund, weshalb das Wasser nicht die natürlichen Überschwemmungsgebiete fluten konnte. Und anders als zuletzt 1910 und davor 1804, als vergleichbare Abflussmengen von 1.200 Kubikmeter pro Sekunde in Richtung Rhein rauschten, stauten sich angespülte Wohnwägen, Gas- und Öltanks, Autos, Bäume und Trümmerteile ganzer Häuser an einer der 115 Brücken entlang der Ahr. Brachen die Barrieren, ergoß sich eine Sturzflut in Richtung des nächsten Hindernisses.
Die Ahr zählt zu meinen Lieblingsgewässern im erweiterten Umkreis von Köln. Sie floß abwechslungsreich durch dieses enge und idyllische Tal. Als Fliegenfischer hatte man die Ahr zwar nie für sich alleine. Durch den Weinanbau entlang der steilen Hänge war die Region touristisch bestens erschlossen. Wer schon einmal in der Pfalz oder dem Rheingau, der Südsteiermark oder in der Wachau war, wird wissen wovon ich spreche. Wanderrouten, Biketrails und Weinfeste sorgten für regen Verkehr an der Ahr. Der Befischungsdruck war aber erträglich, da die Ausgabe von Tageskarten an den öffentlich zugänglichen Strecken auf ein vernünftiges Maß beschränkt wurde.
Die Bilder des letzten Jahres werden noch lange in Erinnerung bleiben. Zerstörung und Tod so weit das Auge reichte. 62 der 115 Brücken wurden vollständig zerstört, komplette Straßenzüge und Eisenbahnlinien wurden weggespült. 134 Menschen starben an diesem Tag. Und ein Jahr danach sind die Zeichen der Verwüstung wie dicke Narben dem schmalen Tal aufgedrückt. Den menschlichen Tragödien hinter diesem Ereignis wollte ich nicht auf die Spur gehen. Das können diverse Dokus wie die unten besser. Mich interessierte ob es überhaupt möglich wäre, die ehemals in guten Stückzahlen vertretenen Forellen, Äschen, Döbel und Barben zu beangeln.
Ein Besuch im Ahrtal Ende Juni 2022 bot ein katastrophales Bild. Der sich einst lieblich durchs Tal mäandernde Fluss scheint an vielen Stellen begradigt und das Flussbett erweitert zu sein, um die Fließgeschwindigkeit der Ahr zu reduzieren. An vielen Stellen bewirken die Erweiterungen kleine Ruhewasserzonen an denen das Wasser zu stehen scheint. In Stadt- und Ortsgebieten werden Mauern – die, die noch stehen und nicht einfach von der Gewalt des Wassers weggerissen wurden – von dicken Steinpackungen geschützt. Einst schob sich an ihnen das Wasser entlang, grub Rinnen aus, bot in ihren Ritzen Insekten und Fischen Schutz. Die ehemals üppige Ufervegetation wurde von der Flut auf gesamter Länge des Flusses weggespült und dort wo sie noch intakt war, wurden zur Begradigung und Erweiterung des Flusses wertvolle, schattenspendende Baumbestände gerodet.
Das ohnehin schon traurige Strukturbild der Bodenbeschaffenheit durch nötige Aufräumarbeiten tonnenschwerer Lastfahrzeuge wird nun ergänzt durch fehlenden Pflanzenbewuchs an den Ufern. Weit und breit sind kaum Bäume und Sträucher an den Ufern der Ahr zu sehen. Was das für die Tier- und Pflanzenwelt im Gewässer während der wochenlang anhaltenden Hitzeperiode der letzten Wochen bedeutete, vermag ich mir gar nicht auszumalen. Ein öliger Film lag schon während meines Besuchs Ende Juni an vielen Stellen auf der Oberfläche. Ob es sich um Restrückstände der Ausläufe vieler weggespülter Heizungen und Treibstoffkesseln handelt, kann ich nicht sagen. Welche anderen Schadstoffe in das Wasser gelangten lässt sich nur vermuten. Auffällig ist jedoch starker Algenbewuchs, der im abgestorbenen Zustand bakteriell zersetzt wird, wobei dem Gewässer wertvoller Sauerstoff entzogen wird.
Doch dann kam mir zu Ohren, dass einige Angelvereine bereits wieder Jahreskarten vergeben. Aus der Sicht der Verantwortlichen und Einheimischen mag das durchaus Sinn ergeben. Man sehnt sich als von der Flut und ihren Auswirkungen Betroffener vermutlich, nach einem Stück Normalität vergangener Tage. Fischte man vor der Flut gerne als Anwohner an den Ufern der Ahr, möchte man das jetzt etwas mehr als ein Jahr danach vermutlich auch gerne tun. Um abzulenken und zu vergessen, was so alles für sich selbst oder Bekannte und Verwandte an diesem Tag auf den Kopf gestellt wurde. Oder schlicht und einfach zerstört wurde.
Für die zahlreichen Gastangler der Vergangenheit wird sich die Frage wahrscheinlich gar nicht stellen, ob man die Ahr wieder befischen kann. Die ehemaligen Tageskarten -Ausgabestellen werden auf jeden Fall wohl erst in einiger Zeit wieder verfügbar sein. Denn viele davon sind selbst ein Jahr nach der Katastrophe einfach nicht mehr da bzw. wieder aufgebaut. Es lässt sich kaum verinnerlichen. Zwar ergab ein Besuch bei der online Angelkartenausgabestelle hejfish, dass ein Verein noch immer, oder bereits schon wieder Tageskarten für ein Teilstück vergibt. Ob des kargen Anblicks entlang des Flussverlaufs frage ich mich, wieviel Freude man am Fliegenfischen an der Ahr in nächster Zeit haben kann. Über die Qualität des Fischbestands kann ich ohnehin nur Mutmaßungen anstellen.
Den Wunsch die Ahr schon bald wieder zu befischen kann ich verstehen. Ebenso den Versuch einheimischer Angelvereine die Wiederbelebung des Flusses, ja des gesamten Ahrtals mit seinem einst florierenden Tourismus mittels der Einkünfte aus dem Kartenverkauf anzukurbeln. Denn für den gesamten Wiederaufbau entlang des Ahrtals und die künftige Bewirtschaftung des Flusses ist jeder eingenommene Euro nötig. Aktuelle Pachtverträge und damit verbundene Kosten müssen zudem eingehalten werden. Schenkt man allerdings dem Verein ARGE Ahr Glauben wird der Wiederaufbau und die Wiederbelebung des Flusses Jahre dauern. Schließt man die Auswirkungen des Klimawandels mit ein, ist die Frage berechtigt, ob die Ahr auch in Jahren noch zu einem Gewässer der Forellen- und Äschenregion gezählt werden kann.
Mein Besuch vor einigen Monaten war somit ein trauriger. Was die Ahr einst lieblich machte – ein sich sanft durch das Tal windender Fluss, dichte schattenspendende Vegetation an den Ufern – fiel den ungeheuerlichen Wasserfluten zum Opfer, oder wurde im Zuge dringend nötiger Aufräumarbeiten planiert und kanalisiert. Meine Klagen über den Verlust eines attraktiven Angelreviers mögen wie Hohn in den Ohren derer klingen, die in jener Nacht am 14.7.2021 alles verloren hatten – mitunter sogar Freunde und Familienangehörige. Nichtsdestotrotz sehne ich den Tag herbei, an dem der Einsatz der ARGE Ahr für Rückbau und Renaturierung der Begradigungen, Aufforstung der Uferrandvegetation, Wiederherstellung des einst guten Fischbestands Früchte wirft und ich wieder meine Fliegen an der Ahr auswerfen kann. Den daran beteiligten und allen voran den Anrainern wünsche ich viel Ausdauer und Erfolg bei der Wiederbelebung dieser Perle der Osteifel.
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