Geht es um Ökologie, zuckt der Finger vieler Fliegenfischer nervös. Gilt es doch Schuldige zu finden für den Insektenrückgang (Agrarindustrie), für fehlende Durchgängigkeit an Gewässern (Energiewirtschaft), allgemeiner Wasserqualität (Chemie + Pharma), kontinuierlich rückgängige Fischbestände (unreflektierte Naturschützer), und dem immer öfter zu messenden Grundwassermangel (alle zuvor genannten), wie diese Bilder der österreichischen Fischa-Dagnitz (© NÖ Landesfischereiverband) vor Augen führt. Zu Recht auch, wie ich meine!
Ein bisschen Selbstreflexion schadet trotzdem nicht, um sich des eigenen Beitrags der Verschlechterung unserer Umwelt bewusst zu werden. Nah- und Fernreisen in Auto und Flugzeug, sehr hoher Fleischkonsum in D/A/CH, Verbrenner statt Elektro, fossile Energie anstatt erneuerbarer – sie alle werden über kurz oder lang in der jetzigen Form nicht aufrecht erhalten zu sein, wollen wir wieder an gesunden Flüssen und Bächen mit der Fliege fischen. Zwei die sich intensiv damit beschäftigen, sind der Autor Alfred Baudisch und der begeisterte Leser meiner Seite, Ingenieur und Umweltschutztechniker Peter Gebhard. Seine Rezension von Das Federspiel hat mich sehr fasziniert.
Lieber Tankred,
Das Federspiel (Alfred Baudisch) habe ich mit großem Interesse gelesen wobei mir nicht jedes Kapitel unbedingt zugesagt hat. Manche Kapitel waren für mich geradezu eine Herausforderung. Kapituliert habe ich bei seinem österreichischen Gedicht in der Mitte des Buches. Ich komme aus Süddeutschland und kann deshalb sogar verstehen, was die Dichtkunst hervorgebracht hat. Aber Mundart zu lesen, ist doch sehr anstrengend und ich frage mich, für wen diese Seiten geschrieben wurden1. Ich konnte damit jedenfalls nichts anfangen und hab’s als einziges nicht zu Ende gelesen. Mit dem Kapitel „Heresy and Fantasy“ konnte ich auch herzlich wenig anfangen. Seine Zeitreise in die Grafschaft Kent zu Herrn Moon erschien mir dann doch etwas schräge, die Personifizierung mit Fliegenmustern wenig gelungen. Zumal das Kapitel fast an das Ende des Buches gerückt ist und ich es schade fand, so kurz vor Ende eines doch insgesamt sehr ansprechenden Buches diese ausufernden Zeilen zu lesen2.
Nun hätte ich das Buch nicht mit meist großem Interesse genossen, wenn da nicht auch sehr viele sehr schöne Geschichten und vor allem auch Gedanken über das Fliegenfischen und zur Zukunft unserer Passion enthalten wären. Von der Themenwahl und Vielfalt ist das Buch seinem Vorgänger Fliegen, Flossen und Glossen nah verwandt. Uneingeschränkt teile ich seine Meinung zu dem Thema catch and release bzw. put and take. Ich selber befische ja u.a. die Eder an einer Privatstrecke mit einem Äschenbestand, der vor einigen Jahrzehnten mit Aufkommen der schwarzen Vögel nahezu vollständig zusammengebrochen war und auch durch Besatzmaßnahmen zunächst nicht wieder aufgepäppelt werden konnte. Erstaunlicherweise hat sich der Bestand aber in den vergangenen Jahren dann auch ohne Besatz deutlich erholt, obwohl im Winter natürlich immer noch Kormorane da sind.
Vielleich haben ja ein paar schlaue Exemplare überlebt und ihre Gene und Erfahrung an die Nachkommen weitergegeben. Ein schöner Lichtblick jedenfalls in diesen trüben Zeiten des Insektensterbens, die ja Herr Baudisch auch ausführlich und zurecht thematisiert. Aber die alten Zeiten in denen man an der Eder 30 Äschen an einem Tag fangen konnte, werden wohl für immer und ewig Geschichte sein. Nie würde ich jedenfalls auf die Idee kommen, eine schöne Äsche mitzunehmen. Ach ich nehme überhaupt keine Äschen mit. Auch so gut wie keine Bachforelle, wobei es sich mit den Forellen bei uns an der Eder ganz anders verhält als mit den Äschen. Es gibt so gut wie keine größeren, die sich halten können. Der Besatz „verschwindet“ im Lauf des Jahres einfach und ich hab nicht so richtig die Vorstellung wohin. Jedenfalls liegt es nicht an den (wenigen) Anglern, die wie ich auch fast alles zurücksetzen. Manchmal frage ich mich, ob die wegen des bescheidenen Insektenaufkommens einfach verhungern oder abwandern. Aber warum erholten sich dann die Äschen ganz gut?
Ich esse übrigens gerne Fisch. Den nehme ich dann mit an klassischen put and take Strecken, an denen natürlich aufwachsende Fische warum auch immer keine Chance haben, z.B an der Lahn bei Lollar. Sollte ich je eine Bestandsforelle dort erwischen, dann wird sie natürlich wieder released. Ich hoffe, der Tag wird kommen.
Nun zurück zu Herrn Baudisch.
Er hat vollkommen recht. Wir brauchen ein Umdenken bei der Fischerei und dürfen den Erfolg eines Fangtages nicht an der Anzahl und Größe der Fische, die wir fangen, messen, was mir zugegebenermaßen auch manchmal nicht so richtig gelingen will. Im Unterschied zu Herrn Baudisch hab ich allerdings in meinem Fliegenfischerdasein doch sehr bescheidene Fänge vorzuweisen, von kapitalen Forellen über 60 cm wag ich nur zu träumen. Leider und verständlicherweise kann Herr Baudisch außer dem Zurücksetzen großer Fische auch keine Lösungen für das Übel anbieten. Für mich scheint da eine gewisse Ohnmacht durch, die ich mit ihm teile. Richtig auch, wir brauchen wieder mehr naturnahe Gewässer, dafür können wir Angler unseren Beitrag leisten. Und es muss endlich konsequent etwas gegen die schleichende Vergiftung unserer Flüsse getan werden, was wir Angler nur sehr begrenzt beeinflussen können.
Grade macht sich ein neues Fass namens PFAS auf. Zumindest in der Öffentlichkeit. Die EU ist gerade dabei, ein Vollverbot für die geschätzt 50.000 verschiedenen perfluorierten Substanzen (PFAS = per- and polyfluoroalkyl substances) umzusetzen. Und schon schreit die Industrie, dass dies ein technischer Rückschritt ins Mittelalter wäre, schließlich würde jede Dichtung aus PFAS bestehen und Gebefilter zur Minderung von Schadstoffen im Abgas von Müllverbrennungsanlagen könnten dann auch nicht mehr hergestellt werden. So auch der Tenor meiner Industriekollegen auf einer Sitzung zur Überarbeitung einer VDI3 Richtlinie zu Schadstoffemissionen in der Müllverbrennung. Kurz darauf hab ich dann auch einen entsprechenden Artikel in der Zeitung gelesen. Dabei brauchen wir 90% der PFAS definitiv nicht. Oder musst Du unbedingt ein Klopapier haben, das sich wegen PFAS-Beschichtung besser abrollt? Gusseiserne Pfannen tun es auch statt Teflon-Kacke und halten wesentlich länger.
Schließlich das ganz große Thema Klimawandel, das nicht nur Herrn Baudisch so sehr beschäftigt, ja bedrückt. Hier müssen wir Angler uns tatsächlich auch an die eigene Nase fassen, wenn wir, nur um ein paar Meerforellen oder Lachse zu fangen, Tonnen an CO2 durch Flug- und Autoreisen in die die Luft blasen. Das tun zwar andere Menschen auch, ist aber deshalb noch lange keine Entschuldigung. Ich für mich habe mich entschieden, doch lieber mit unseren Flüssen hier in Deutschland vorlieb zu nehmen. Und wie schreibt Herr Baudisch doch so treffend sinngemäß: Das Forellen- und Äschenfischen mit der Fliege ist die vielseitigste Art der Angelei überhaupt.
In Punkto Fortbewegung teile ich allerdings nicht die Auffassung von Herrn Baudisch, dass ein Elektroauto des Teufels ist. Wobei es natürlich auch nur das kleinere Übel darstellt. Irgendwo relativ vorne im Buch steht das pauschale Argument, dass man 80.000 km fahren müsse, damit sich die CO2-Emissionen des E-Autos besser rechnen, als bei einem Verbrenner. Noch Dramatischeres hat auch ein Kollege, der mich in seinem Jaguar auf der Rückfahrt von oben erwähnter VDI-Sitzung mitgenommen hat, berichtet: Er meinte, dass in einer unveröffentlichten Studie des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) stehe, dass man 300.000 km fahren müsse, um den Strom, der zur Herstellung einer Batterie für ein E-Auto benötigt werde, durch das Fahren wieder zu kompensieren. Widerlegt wird dies von Berechnungen des IFEU Instituts in Heidelberg, welches ich sehr schätze und mit denen ich in früheren Jahren auch schon zusammengearbeitet habe.
Das IFEU ist in Deutschland führend in sogenannten Öko-Bilanzen. Ich erlaube mir hier eine Grafik zu bringen, die zeigt, dass nach ca. 59.000 gefahrenen Kilometern das E-Auto besser abschneidet als ein Verbrenner (die Veröffentlichung hab ich angehängt) – vorausgesetzt, das Auto wird mit dem Strommix Deutschland 2020 betrieben, also ca. 40% erneuerbare Energie im Jahresschnitt. Wir Angler betreiben unser Hobby aber vor allem im Sommer. Vergangenen Juli lag der Anteil der Erneuerbaren am Strommix in Deutschland bei 66%. Das verbessert die Bilanz natürlich um einiges. Wenn man dann noch in der Lage ist, Strom vom eigenen Dach zu beziehen, dann verringert sich die Strecke, die gefahren werden muss, um auf Gleichstand mit einem Benziner zu kommen, auf ca. 30.000 km, denn der Anteil an verfahrenem Strom macht in der CO2-Gesamtlebensbilanz eines Autos ca. die Hälfte aus. Übrigens hat Österreich derzeit einen Anteil an erneuerbaren Energien im Strommix von 76%4.
Also Herr Baudisch, denkt‘s noch amoal drüber noach und kauft‘s am End vielleicht doch a E-Kutscherl, dann brauchen’s au ned mehr solche Alpträum mim stromlosen Radl ham. Jedenfalls ist den Kopf in den Sand zu stecken und weiter mit dem schweren SUV, den so manch einer meiner Angelfreunde meint nutzen zu müssen, um ans Wasser zu kommen, anstatt sich einen Elektrokleinwagen anzuschaffen, vielleicht im Car Sharing-Modell, definitiv nicht die Lösung des Problems. Ich hab mich jedenfalls für letzteres entschieden.
Jetzt bin ich schon wieder etwas abgedriftet, aber das musste ich jetzt mal loswerden. Man möge es mir verzeihen.
Wenn man das Buch von Herrn Baudisch als Anregung zum Nachdenken und als Grundlage für gute Gespräche über die Philosophie des Fliegenfischens im Allgemeinen und über das nachhaltige Ausüben unserer Passion im Kontext sich rapide wandelnder Umweltbedingungen sieht, dann ist es ein sehr gutes.
Mit diesem Urteil möchte ich meine kleine Rezession beenden und freue mich schon auf das nächste Werk von Gordon van der Spuy in Deinem kleinen aber feinen Verlag.
L.G. Peter
1 Besagtes Gedicht ist eine Abwandlung eines Liedtextes von Alfred Baudischs Schulfreund Günter Brödl, der für den legendären, viel zu früh verstorbene österreichischen Musiker Kurt Ostbahn textete. Als Lektor wollte ich an diesem einem Kapitel aus diesen Gründen nicht den Rotstift ansetzen – auch wenn Leser aus Deutschland und der Schweiz sprachlich damit Probleme haben würden.
2 Die Kritik teile ich – letztlich war ich aber zu sehr daran interessiert, ob diese Empfindung meinem Elfenbeinturm geschuldet war oder nicht. In Summe: zwei für diesen Leser wenig ansprechende Kapitel aus 37. Ich strebe nach 100%, gebe mich mit 95% Begeisterung aber zufrieden
3 VDI = Verein Deutscher Ingenieure; VDI Richtlinien beschreiben allgemein anerkannte technische Standards
4 https://www.mein-leben.at/service/energiemix-so-gewinnt-oesterreich-seinen-strom.html-0
Peter Gebhardts Rezension hat mich ebenfalls nachdenklich gemacht. Wie er muss auch ich loswerden, dass ein Kopf in den Sand stecken, angesichts der aktuellen ökologischen Probleme, keine Lösung sein kann für die dringliche Verbesserung unserer Gewässer. Sieht man sich die eingangs erwähnten Gegner gesunder Flüsse an, muss jeder für sich klären, in welchen Lagern er oder sie am ehesten Abhilfe bei der Bewältigung dieser Herausforderungen finden wird. Ökologisch nachhaltige Ideen, die leider zu selten und oft zu spät in wirtschaftsmächtigen Lagern als dringlich erkannt werden, reflexartig zu verteufeln, weil sie als aus dem ‘falschen’ politischen Spektrum kommend zugeordnet werden, wird den Niedergang unserer Fischerei, wie wir sie kannten, eher beschleunigen als verzögern oder gar stoppen. Wer Gewässer hauptsächlich als wirtschaftliche Infrastruktur betrachtet, hat nicht nur für die darin lebenden Fische, sondern auch für uns Angler wenig Mitgefühl, sagt mein Bauch.
Dass Alfred Baudisch sich in Das Federspiel tiefgründige Gedanken zu diesem Thema macht, verwundert wenig angesichts der erschütternden Bilder am Anfang dieses Beitrags. Denn sein oben abgebildetes Wohnzimmer, mutete während der letzten Jahre nicht annähernd so gemütlich an. Zum Glück füllten die andauernden Starkregen der letzten Monate die Grundwasserreservoirs gut auf. Dass gleichzeitig von Dünger und Pestiziden verursachte Schadstoffe in Übermaßen in unsere Gewässer gelangten, lässt trotzdem dunkle Sorgenwolken in mir aufziehen. Antworten auf all diese dringenden Fragen habe ich noch keine, vermute sie aber eher in progressiven Denkansätzen zu finden als im “Weiter wie bisher”.
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Sepp Prantler says
Schön, wenn in einem Buch über das Fliegenfischen auch so wichtige Themen wie das eigene Verhalten am Wasser und entscheidende ökoliogische Auswirkungen nicht nur, aber mit Fokus auf das Wasser lenken. Alfred Baudisch regt damit eine Diskussion an, die sicher auch dazu beiträgt, diese Themen noch breiter bei den Fliegenfischern geführt wird.
Peter Gebhard hat diese Anregungen sehr fundiert, differenziert und bravourös aufgefriffen!
Das wurde dann auch noch von Dir sehr gut kommentiert.
Ich würde mir wünschen, daß jede Diskussion auf diesem Niveau ablaufen würde!
Das Verhalten Anderer entschuldigt jedenfalls nicht das persönliche Verhalten. Jeder kann etwas dafür tun, daß in Zukunft alles besser wird. Jeder stimmt auch mit den stärksten Stimmzel ab, die es überhaupt gibt: Mit seinen Geldscheinen!
Wer Bio-Produkte kauft, sorgt dafür, daß seine Lebensmittel ökologischer und ohne Pestizide produziert werden. Wer auf vermeidbare Flüge und auf unnötige Autofahrten verzichtet, verbraucht weniger Energie.
Und richtig: Nur weil oft Argumente aus dem falschen politischen Lager kommen, sind diese nicht grundsätzlich falsch. Oft werden sie nur sehr ungeschickt und unverständlich formuliert.
Beispiel:
Seit der Ölkrise 1973 wissen wir, wie abhängig und erpressbar von großteils autoritär regierten Ländern wir sind. Damals waren es die arabischen Staaten, die versucht haben uns zu erpressen, heute ist es Rußland.
Und seit 50 Jahren hätten alle seitdem in der Regierung vertretenen Parteinen etwas gegen diese Abhängigkeit tun können. Jeder Liter Öl und jeder Kubikmeter Gas, die nicht importiert werden müssen, machen uns autarker und stärker!
Ich persönlich habe meine letzte Fliegenfischer-Flugreise im Jahre 2.000 gemacht. Und ich vermisse … nichts! Ich habe mir meine Reviere in meiner Umgebung so gesucht, daß ich so viel Freude am Fliegenfischen habe, wie noch nie.
Ich fahre als Firmenauto freiwillig ein ein kleines Elekroauto und vermisse … nichts! Ist bei meinen kurzen Strecken, die ich normalerweise für Firma fahre, ein Heidenspaß, weil das Auto richtig gut geht und in der Stadt die Parkplatzsuche ein echter Komfortgewinn ist.
Privat fahre ich gerne Oldtimer, die nachgewiesen ökologisch kaum zu schlagen sind. Aber nicht, um Ausflüge des Fahrens willen zu machen, sondern um die normalen Alltagsstrecken damit zurückzulegen, wie z. B. zum Fischen. Und habe einen Heidenspaß damit.
Elektro- oder Verbrenner-Autos? Sowohl als auch!
In diesem Sinne noch interessante, inspirierende und fruchtbare Diskussionen,
Sepp Prantler
Tankred Rinder says
Hallo Sepp,
es freut mich, dass Du sowohl von Alfred Baudisch Das Federspiel als auch Peter Gebhards Rezension begeistert bist. In beiden steckt sehr viel Wahrheit, wie auch in Deinem Kommentar. Zum Niveau der Diskussion, und auch wie ich meine, dieser Seite, tragen letztlich auch alle Leser, Mitautoren und Kommentatoren wie Du selbst bei. Vielen herzlichen Dank für deine Gedanken, die Du in diesem Umfang nicht zum ersten Mal auf Forelle & Äsche niederschreibst. Das mach diese Seite u.a. lesenswert.
Beste Grüße, Tankred