Sich aus der Menge an neuen und alten Fliegen hervorzuheben ist nicht leicht. Gelingt einem Fliegenbinder das scheinbar Unmögliche, ein Muster zu entwerfen, das einfach zu binden ist und dessen Bezeichnung den schmalen Grat zwischen Verheißung und leerem Versprechen mit Bravour meistert, ist er im übertragenen Sinn auf Gold gestoßen. Beide Attribute kann ich dem Red Grayling Attractor aus eigener Erfahrung bestätigen. Ich übertreibe nicht, wenn ich berichte, dass so manch ein Fang der letzten Wochen, erhebliche Distanz zurücklegte, um sich diese Fliege von der Oberfläche zu holen.
Entworfen wurde der Red Grayling Attractor, der auch mich vom ersten Anblick an magisch anzog, vom österreichischen Fliegenbinder und Autor Walter Reisinger. Der schickte sein Buch Entomologie für Fliegenfischer – vom Vorbild zur Nachahmung dem Südafrikaner Gordon van der Spuy – seines Zeichen ebenfalls Binder und Autor. Da es auf Deutsch war, verstand der kein Wort, und sah sich nur die Bilder an. Sofort konnte er aber erkennen, dass Walter Reisinger ein praktischer, handwerklich begabter Typ war. Seine Fliegen sahen aus, als hätten sie eine Spritztour in einem Wäschetrockner hinter sich: rau, krabbelig und vollgestopft mit Reizpunkten.
Gordon van der Spuy hatte den Eindruck, dass Walter das Fliegenbinden sehr zielgerichtet angeht. Es war ersichtlich, dass seine Fliegen gebunden werden, um Fische und nicht Angler zu fangen. Sie sind eher Werkzeuge als Kunst– oder Ausstellungsfliegen. Jedes Element dieser Muster ist durchdacht und erfüllt einen Zweck. Wie Walter Reisinger zum Red Grayling Attractor fand, beschreibt er im Buch Buch The Feather Mechanic 2 – Beyond The Pattern. Der nachfolgende Auszug daraus wurde von Forelle & Äsche für die Zeitschrift FliegenFischen ins Deutsche übersetzt. Der Beitrag erschien dort in der Ausgabe 1/2024.
Verlockung pur. Mein Freund Eduard lud mich ein, einen Abschnitt der Traun bei Bad Goisern zu befischen. Die Traun ist ein Alpenfluss in Oberösterreich, der von vielen als eines der besten Äschengewässer des Landes, wenn nicht der Welt, angesehen wird. Selbst Charles Ritz und der spätere US-Präsident Dwight D. Eisenhower reisten nach Österreich, um sie zu erleben. Wir fischten mit dem Red Grayling Attractor, einem Muster, das die Äschen magisch an die Oberfläche lockte. Ich weiß nicht mehr genau, wie viele davon wir fingen, weil ich aufgehört hatte, zu zählen. Äschen sind herrliche Fische, schön, unaufdringlich und elegant. Ich kann verstehen, warum die Engländer sie „Lady of the Stream” nennen.
Ich gab Eduard meine restlichen zwei Fliegen. Am nächsten Tag fischte er weiter flussaufwärts an der Traun in Richtung Bad Goisern. Am Montag scherzte er, dass der Red Grayling Attractor eine kritische Schwäche habe; nach 12 Äschen beginne die Fliege sich aufzulösen. Ich hatte ihn beim Werfen gesehen und wusste daher, dass es nichts mit meinen Fliegen oder den Äschen zu tun hatte. Sagen wir einfach, er testete eine Fliege auf Herz und Nieren und hatte beide Fliegen aufgebraucht und fragte mich, ob ich ihm noch mehr binden könnte. Mit einem Augenzwinkern sagte er, er müsse mit seinem Angelverein sprechen und die Fliege in diesem Flussabschnitt verbieten lassen.
Lieber durchdacht als federperfekt. Beim Entwickeln des Red Grayling Attractor hatte ich ein klares Ziel vor Augen. Statt ein bestimmtes Insekt oder Larvenstadium zu imitieren, kombinierte ich Schlüsselfaktoren aus erfolgreichen Fliegendesigns – daher der Name „Attractor“. Übermäßig komplizierte Muster haben mich nie gereizt. Mein Fokus lag immer darauf, die Fische zu beeindrucken, nicht die Angler. Einfache, durchdachte Muster erscheinen mir oft effektiver, als viele der perfekten Fliegen die in sozialen Medien kursieren. Die einzigen Reaktionen die mich interessieren, sind die der Fische. Daher binde ich bewusst Fliegen, die nicht perfekt sind. Schlüpfende Insekten oder Tierchen die in der Strömung ertrinken, sehen nie gut aus. Das sollten auch deine Fliegen nicht.
Beim ersten Binden des Red Grayling Attractors hatte ich bestimmte Designkriterien im Kopf. Letztendlich entschied ich mich für Folgendes: Die Fliege sollte auf einen großen, offenen Haken mit einem geraden Öhr gebunden werden, der sich nicht leicht öffnen lässt. Also für Leute die bei einem Biss ‚Anschlagen‘ anstatt ‚Anheben‘. Der TMC 2488 entspricht dieser Beschreibung voll und ganz. Ich wollte, dass die Fliege gut schwimmt und bei verschiedenen Lichtverhältnissen gut sichtbar ist. Die Kombination aus Rot, Braun und Schwarz ist auch aus der Entfernung gut sichtbar. Ich wollte, dass das Hakenauge völlig frei ist, damit sich das Tippet leicht einfädeln lässt, besonders bei schlechten Lichtverhältnissen. Die Kombination aus dem übergroßen Haken und dem länglichen roten Kopf bedeutete, dass das Öhr nicht durch Material verdeckt wurde und völlig offen war. Ältere Fliegenfischer, deren Sehkraft nicht mehr so gut ist wie früher, schätzen solche Designs.
Kurz zu Materialien und Reizen: Der Haken ist der unnatürlichste und unvermeidlichste Teil jeder Fliege. Wenn der Haken einer normal gebundenen Fliege knapp unter die Wasseroberfläche sinkt, sehen die Fische ihn zweimal, weil er sich in der Oberfläche spiegelt. Aus diesem Grund decke ich den größten Teil des Schenkels für den Körper der Fliege ab, wobei der Faden weit in die Biegung des Hakens gewickelt wird.
Für den Red Grayling Attractor habe ich die Farbe Rot gewählt (die ich als Hauptattraktor Nr. 1 bezeichne), da sie die ganze Saison über in verschiedenen Schattierungen auf den wichtigsten Eintagsfliegen vorkommt, vor allem während ihrer Spinnerphase (z. B. Red Spinner, Great Red Spinner, Sherry Spinner). Aber generell ist die Farbe Rot ein bewährter Auslöser für eine breite Palette von Fischarten. Die CDC-Federspitze sollte so weit nach hinten reichen, dass sie mit der Biegung des Hakens abschließt und so die Fliege in der Drift stabilisiert. Der kurze Tag darüber (aus Arizona Diamond Hair oder ähnlichem) ist nur etwas kürzer als die Federspitze. Dieser glitzernde Anhänger imitiert die Trennung der Nymphenhülle vom Insekt. Die Fische können ihn auch als Eisack erkennen (Schlüsselattraktor Nr. 2).
Der Körper besteht aus Pfauengras in Kombination mit einigen strähnigen CDC Fibern (Schlüsselattraktor Nr. 3 und Nr.4). Diese Kombination hat sich bei vielen Fliegen für Äschen bewährt. Die braune Hechel kommt der Farbe der Beine der oben erwähnten Eintagsfliegen-Spinner am nächsten (Hauptattraktor Nr. 5).
Der rote Kopf ist absichtlich länglich. Ein Grund für den etwas größeren Kopf, sind die vergrößerten Köpfe der männlichen Insekten in einigen wichtigen Eintagsfliegenfamilien (z. B. Baetis rhodani, Ephemerell ignita). Obwohl der lange Kopf dazu gedacht war, das Einfädeln des Tippets durch das Hakenöhr zu erleichtern, ist es möglich, dass er als weiterer Reizpunkt wirkt (Schlüsselattraktor #6).
Äschen haben eine besondere Vorliebe für mit CDC gebundene Fliegen. Der Red Grayling Attractor benötigt nur wenige CDC-Fibern. Weniger ist mehr. Ich habe Experimente gemacht, bei denen ich die CDC-Fibern weggelassen habe, und bin überzeugt, dass sie in Maßen die Fangrate der Fliege deutlich verbessern. Kleine Detail bringen große Vorteile. Ursprünglich habe ich den roten Kopf lackiert, aber jetzt behandle ich den Faden vor dem Binden mit Hartwachs. Die fertige Fliege wird dann mit einem Fön erhitzt, wodurch das Wachs schmilzt. Dabei dringt es in den Faden ein, was zu einer etwas dunkleren Farbe führt, die wasserfest ist, sich im nassen Zustand nicht weiter verfärbt und dabei schwimmfähiger wird.
Ein Rad bleibt ein Rad: Viele möchten das Fliegenbinden oft neu erfinden, doch es gibt nichts wirklich Neues in diesem Bereich. Es ist wie das sprichwörtliche Rad, das man in verschiedenen Farben anmalen kann, aber es bleibt ein Rad. Mein Rat: Halte es einfach, überlegen dir, was du mit der Fliege erreichen möchtest, und binde sie dementsprechend. Lass dich von deiner Umgebung leiten und beobachte genau, was um dich herum geschieht.
Der Red Grayling Attractor
Bindematerialien:
- Haken TMC 2488, Gr. 14
- Bindefaden rot, 8/0
- Schwanz CDC–Federspitze
- Tag Arizona Diamond Hair gelbbraun
- Körper ein Pfauengras mit CDC–Fibern
- Kopfhechel Hahnenhechel sandy brown
- Kopf rot (weinrot) lackiert.
Arizona Diamond Hair:
- Imitiert die Nymphenhülle
Thorax:
- Hier vermengen sich das Schillern des Pfauengras, die Beweglichkeit der CDC-Fibern, und der durchscheinende rote Bindefaden zu einem Gemisch aus mehreren Reizpunkten
- Ein längerer Kopf als üblich fungiert als zusätzlicher Reiz, denn männliche Vertreter einiger Maifliegenarten haben charakteristische, vergrößerte Turbanaugen.
- Die braune Hechel imitiert die Insektenbeine
- Rot ist eine prominente Reizfarbe, besonders bei Äschenmustern. Walter Reisinger erhitzt das Bindewachs mit einem Haarfön und massiert das Wachs in den Faden. Das lässt den Faden dunkler erscheinen. Das Wachs präpariert zudem den Körper und verbessert die Schwimmfähigkeit des Musters. Der CDC-Tag stabilisiert die Fliege im Oberflächenfilm.
Bearbeite den Faden mit ausreichend Wachs und beginne mit einer Grundwicklung direkt gegenüber der Hakenspitze. Wickle den Faden bis ans untere Ende des Hakenbogens. Nimm einen Fön zur Hand und erhitze das Wachs, um dieses gleichförmig zu verteilen. Verreibe es zusätzlich mit den Fingern entlang der Fadenwicklung. Das präpariert den Faden und verleiht ihm eine dunkle Färbung.
Binde eine CDC Feder als Schwänzchen ein. Richte die Feder dabei so aus, wie du es bei einer F-Fly tun würdest. Der Tag soll in einer Linie mit dem Hakenbogen sein und nicht über den Haken hinausragen. Der CDC Tag erfüllt die Aufgabe, die Fliege im Oberflächenfilm zu stabilisieren.
Nimm als nächstes ein kurzes Stück Arizona Diamond Hair zur Hand und binde es an derselben Stelle ein. Das imitiert die geplatzte Nymphenhülle. Ein wenig Schimmer an der Stelle ist üblich und deutet auf unter der Haut liegende Gase im Nymphenkörper hin.
- Binde einen Strang Pfauengras ein
- Forme eine Schlaufe mittels eines Halben Schlags und sichere den mit einigen Fadenwindungen
- Fahre mit der Grundwicklung in Richtung Hakenöhr fort und sichere den Bobbin-Halter am Fadenableger
- Platziere das CDC im Loop
- Verdralle die CDC Fibern in der Schlaufe. Lege danach einen Pfauengrasstrang entlang des CDC und verdralle beide zu einem Dubbing-Strang.
- Wickle den Pfauengras/CDC Strang entlang des Hakens nach vor bis maximal zur Hälfte des Hakenschenkels. Vor jeder Windung streichst du die CDC Fibern zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger nach hinten. Binde schließlich den Strang ab und schneide den Binderest ab.
Nimm eine braune Hahnenhechel mit Fibern die etwas länger als die Hakenöffnung sind. Entferne einige Fibern entlang des Hechelstamms. Das sorgt für eine korrekte Orientierung der Fibern bei der ersten Umwicklung.
Die glänzende Seite der Hechel zeigt beim Einbinden im 45° Winkel zum Hakenöhr. Das hindert die Hechel daran, sich beim Umwickeln um den Haken zu rollen. (Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass an einer Seite des Stamms mehr Fibern entfernt wurden als an der anderen. So sorgt man dafür, dass die Fibern nach der ersten Umwicklung gleichmäßig mit den darauffolgenden vom Haken absteht). Wickle den Faden nach vor bis an die in der Abbildung mit einem Strich markierte Stelle.
Wickle danach die Hechel nach vor an dieselbe Stelle und binde sie dort ab. Entferne den Rest der Hechel. Wachse als nächstes den Faden erneut. Wickle als nächstes ein etwas längeres, getapertes Köpfchen und sichere es mit einer Kopfwicklung. Abschließend, benutze erneut den Haarfön und behandle den Kopf der Fliege genauso wie den Hinterkörper.
Voilà – fertig ist der Red Grayling Attractor. Wer schon längere Zeit mit der Fliege fischt, lässt sich nicht so schnell von einem neuen Muster begeistern. Wie anfänglich geschrieben, übte der Red Grayling Attractor auf mich aber sofort dieselbe Faszination aus, wie auf die Äschen in meinem Heimatfluss. Ganz ohne nennenswerten Schlupf ließen die sich von dieser Fliege an die Oberfläche locken. Ob andere Faktoren eine ebenso wichtige Rolle spielten kann ich nicht behaupten. In meiner sofortigen Begeisterung für dieses relativ einfach zu bindende Muster fühlte ich mich dadurch bestätigt. Seinen Platz in meiner Fliegenbox hat sich der Red Grayling Attractor mühelos gesichert. Probiere ihn auch aus!
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