Während der ersten Jahre meiner Zeit in Nordrhein-Westfalen hatte ich es einfach hingenommen, dass für Fliegenfischer an den meisten Flüssen mit 20.10. der Vorhang fällt. Anders kannte ich es auch nicht aus der Zeit als ich in England lebte: Schonzeit für annähernd fünf Monate. So stand es auch geschrieben, in den Büchern die ich dort las. So wurde und wird es in weiten Teilen auch hier noch immer praktiziert. Dabei gibt es sicherlich ebenso viele Gründe gegen eine Gewässerschonzeit bei gleichzeitiger Artenschonzeit. Besonders an großen Gewässern trifft das zu.
Was also tun im Herbst, in der für viele schönsten Zeit für das Fliegenfischen? Das feine Geschirr für das Salmoniden-Fliegenfischen gegen das schwere Gerät für das Hechtangeln tauschen? Nichts für mich! Mich reizt das Prädatorenangel zu wenig. Bevor mir jemand ins Wort fallen möchte mit dem Hinweis, dass Forellen auch Raubfische sind und auch alte Äschen gelegentlich beim Spinnangeln gefangen werden, möchte ich klarstellen: Schon als Jugendlicher bevorzugte ich das Friedfischangeln gegenüber der Raubfischangelei. Nimmt man mich mit zum Hechtangeln, bin ich zwar sofort dabei. Aus eigenem Antrieb bevorzuge ich aber das sanftere Salmonidenangeln.
Im Herbst möchte ich einfach nur dem Äschenfang nachgehen. Verirrt sich eine Regenbogenforelle an die Fliege, finde ich das in Ordnung. Um eindeutige Bachforellenstandplätze mache ich einen Bogen. Über den Äschenbestand an meinem Hausgewässer kann ich mich wirklich nicht beschweren. Zu vergleichen mit den Vorkommen in den Flüssen meines Heimatlands Österreich ist er aber nicht. Ein Grund also während der letzten Wochen einige Tage dorthin zu fahren – zu Freunden an der Gmundner Traun.
Zweimal war ich bereits in Gmunden mit der Absicht die legendäre Traun zu befischen. Beide Mal musste ich wetterbedingt aufgrund hoher Wasserstände auf ihren Nebenfluss die Ager ausweichen. Im dritten Anlauf sollte es gelingen, beschloss ich mit Albert Pesendorfer, dem Obmann der Freunde der Gmundner Traun. Einem Verein, der es sich seit 2006 zur Aufgabe macht, das Erbe dieses für die Tradition des europäischen Fliegenfischens bedeutenden Flusses aufrecht zu erhalten. Denn nur wenigen Gewässern im deutschsprachigen Raum wird die Anerkennung zuteil wie der Gmundner Traun. Der Bau eines Kraftwerks 1969 unterband zwar die Durchgängigkeit für aus dem Traunsee kommende Seeforellen. Trotzdem weist die Traun noch immer einen sehr guten Bestand an Äschen auf verglichen mit anderen Flüssen in Deutschland. Im Bild: Albert Pesendorfer
2024 war für die Freunde der Gmundner Traun ein schwieriges Jahr. Die normalerweise verlässliche Frühjahrsfischerei fiel aufgrund anhaltender Regenfälle flach, erzählte man mir. Danach folgte die für den alpinen Raum übliche Schneeschmelze, die den Pegel der Traun zusätzlich für längere Zeit ansteigen ließ. Nach einem kleinen Fenster von wenigen Wochen setzte bereits im Frühsommer eine langanhaltende Hitzeperiode ein, die ein dreimonatiges Angelverbot nach sich zog, aufgrund erhöhter Wassertemperaturen von auf mehr als 21°. Als die Bedingungen sich im Frühherbst endlich entspannten, zog ein verheerendes Wettertief über die Ostalpen hinweg. Wir erinnern uns an die Bilder aus dem angrenzenden Niederösterreich, wo der Katastrophenalarm ausgelöst wurde. Das Gmundner Land war zwar etwas weniger davon betroffen, völlig verschont davon blieb die Traun aber auch nicht. Wieder war über Wochen nicht an das Fliegenfischen zu denken. Gefährlich hoch waren die Wasserstände.
Ich bin davon überzeugt, dass es Ereignisse wie diese schon in der Vergangenheit gab. Die Regelmäßigkeit aber, mit der Wetterphänomene wie diese während der letzten Jahre eintreten, ist alarmierend. Umso erschreckender finde ich es, dass es noch immer Stimmen gibt, die diese Entwicklungen kleinreden oder negieren und geforderte Maßnahmen zur Begrenzung des menschlichen Beitrags als ‘woke’, ‘linke’, ‘grün versiffte’ ideologische Angstpolitik abtun. Vermutlich müssen uns die Dinge erst so richtig um die Ohren fliegen, bis der Letzte versteht, dass Wachstum ohne Einschränkungen und Rücksicht auf Mensch und Umwelt uns in den Abgrund führen wird. Am Rande davon stehen wir schon.
Vom Glück im Unglück konnten mein Begleiter Andy Paschek und ich sprechen, als wir an einem Wochenende im Oktober an der Traun eintrafen. Der Pegel sank von gefährlich hoch am Mittwoch auf gerade noch befischbar am Samstag. An die erhoffte Trockenfliegenfischerei sei trotz des glasklaren Wassers nicht zu denken, wurde uns am Stammtische der Freunde der Gmundner Traun beim Wirt am Bach berichtet. Schade, war das doch einer der Anlässe die Traun im Herbst zu besuchen. Um zu erleben, wovon oft berichtet wird: Von der Schönheit der Äschenfischerei mit der Trockenen, wenn die Wasserstände perfekt sind, bevor die winterlichen Niederschläge einsetzen. Aus der Traum – geplatzt!
So entschieden wir uns für das Nymphenfischen mit dem Bissanzeiger. Einer Methode der ich eigentlich nicht viel abgewinnen kann. Ohne Zweifel ist sie sehr effektiv, mache behaupten sogar unerlässlich an sehr großen Flüssen wie der Gmundner Traun. Dem stimme ich gerne zu. Die Bisserkennung auf Distanz anhand der sich bewegenden Schnurspitze ist auf große Entfernungen sicherlich nicht einfach und verlangt nach noch mehr Konzentration als in einem überschaubaren Bereich von 10-15m. Was mich an der Fischerei mit dem Bissanzeiger aber nicht wirklich anspricht, ist die Künstlichkeit die dabei ins Spiel gebracht wird. Denn der Anzeiger wird ähnlich wie eine Pose zu einem Träger, der die Nymphe in einer bestimmten Wassertiefe hält, anstatt ihrem natürlichen Bestreben nachzugeben, zu Grund zu sinken. Für mich ist das gern geschmähte, als dem Fliegenfischen fern bezeichnete Nymphenfischen auf Kontakt mit gestreckter monofiler Schnur, der Idee des Fliegenfischens dann doch näher. Zumindest bedient es sich nicht der Hilfe des Bissanzeigers, um der Nymphe eine ungehinderte Drift in konstanter Wassertiefe zu erlauben.
Aber hey – When in Rome, do as the Romans, wie der Engländer sagen würde. So schloss ich mich der Vorgabe an, verzichtete auf Euro-Nymphing Techniken und befestigte einen Dorsey-Anzeiger ans Vorfach. Thingamabobbers, Oros oder Football Indicators sind mir dann doch eine Spur zu weit von der Ästhetik des Fliegenfischens entfernt – egal ob mir dadurch Fänge entgehen. Ich vertrete die Meinung, dass das Fliegenfischen den Versuch darstelle sollte, das scheinbar Unmögliche schaffen zu wollen. Nämlich Forellen & Äschen als Gegner und nicht als Beute zu begegnen und sie so naturnah wie möglich fangen zu wollen. Denn wenn schon in den Raum gestellt wird, dass moderne Nymphentechniken dem Stippfischen ähneln, könnte genau so gut behauptet werden, dass das Fliegenfischen mit dem Bissanzeigern eine Anlehnung an das Trotting sei: Das Angeln mit der treibenden Pose.
Ein großer Fluss wie die Traun lässt einen schnell ratlos zurück, steht man erst an seinem Ufer. Die schiere Wassermasse, die schwierig auszumachenden Strukturen, die unerreichbar weit entfernt scheinenden Rinnen. Ein gewisses werferisches Geschick ist für die erfolgreiche Befischung schon hilfreich und weite Würfe dienen nicht nur mehr dem Zweck der Selbstbestätigung, das werferische Können auf die Probe zu stellen. Das glasklare Wasser kann trügerisch sein. Was wie eine flache Kiesbank erschien, die durchwatet werden kann, entpuppte sich spätestens in der Mitte des Flusse als heimtückisch. Während ich schon bis zum Bauch im Wasser stand, war der strukturreiche Zug noch immer weit außerhalb meiner Wurfweite. So gilt es an großen Flüssen Strecke zu machen, um an Stellen zu gelangen, die mit dem eigenen Können befischbar sind.
Gelangt man erst an diese, wird die Sache schon einfacher. Nimmt man sich die Zeit zur Beobachtung, lässt sich erkennen, dass ein großer Fluss durchaus in mehrere kleine unterteilt werden kann. Strukturen im Flussbett erzeugen parallel verlaufende Strömungsbahnen unterschiedlich starker Ausprägung. Mir hilft es immens, erst die mir am nächsten gelegene Bahn abzufischen. Die mag durchaus weniger attraktiv erscheinen, als die weiter draußen befindliche Hauptströmung. Da wir uns an einem großen Fluss befinden, sind diese Nebenströmungen oft ausreichend breit und lang, um eine Menge Fische zu beherbergen. Erst wenn ich diesen Bereich abgefischt habe, überlege ich mir, wie die Hauptströmung mit meinen Fähigkeiten am besten zu meistern wäre.
Präsentationstechnisch stellt das vor größere Herausforderung, da die nahe gelegene Strömung überworfen werden muss. Zwischen den beiden parallel verlaufenden Bahnen befindet sich zudem oft strukturbedingt ein ruhigerer Bereich. Für eine passable Drift in der dahinterliegende Strömung muss man hart arbeiten. Unterschiedliche Fließgeschwindigkeiten müssen durch konstantes Schnur umlegen, aerial mends, reach mends oder ggf. durch die Umstellung auf die flussab Fischerei ausgeglichen werden.
In großen Flüssen stromab zu fischen, ist sowieso eine gerne praktizierte Technik, habe ich erkannt. Das mag an kleineren Gewässern unsinnig erscheinen, da die Wahrscheinlichkeit von einem mit dem Kopf gegen die Strömung stehenden Fisch gesehen zu werden, sehr hoch ist. In großen Flüssen aber, mit zwanzig und mehr Metern Schnur am Wasser, die ich nach Belieben auch nachfüttere, verringert sich diese Wahrscheinlichkeit. Zudem ist die Ermüdung der Beine beim Waten gegen den Strom enorm, sodass es alleine deshalb schon sinnvoll ist, seine Beute stromab zu suchen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das ein weiterer Grund ist, warum das Lachsfischen fast ausschließlich stromab praktiziert wird.
Dass es sogar Trockenfliegenfischer gibt, die diese Richtung bevorzugen, ließ ich mir in diesem Herbst auch zeigen. Auch wenn der Grund darin zu suchen ist, dem Fisch als erstes die Fliege anstatt des Vorfachs oder gar der Fliegenschnur zu präsentieren. Meine Einstellung zum flussab Fischen hat sich in diesem Jahr, als ich wenig anderes machte, als mir die Würfe aus Line Poetry: Spey Casting mit der Einhandrute beizubringen, von Grund auf geändert. Hielt ich es bisher für ausgeschlossen, Fische in vernünftiger Größe beim flussab Fliegenfischen zu fangen, konnte ich diese Meinungrevidieren. Bei meinem Besuch der Gmundner Traun, sollte sich das als großer Vorteil erweisen. Wenn auch nicht am ersten Tag unseres Ausflugs.
Ich mache es am Wetterumschwung fest, als der laue Südwestwind – eigentlich ein Garant für gute Fresslaune bei Fischen – just am Tag vor unserer Anreise von einem kalten Nordostwind abgelöst wurde. Schon unsere Vorfahren wussten, dass:
Wind from the West, fish bite best
Wind from the East, fish bite least
Wind from the North, do not go forth
Wind from the South, blows bait in their mouth
Zu allem Überdruss öffnete das Wehr bei Theresienthal seine Schleusen, was die Fischerei wattechnisch höchst gefährlich gestaltete und den langsam fallenden Pegel wieder rückgängig machte. Trotz der Begleitung von Albert Pesendorfer an Stellen, an denen der Fischfang noch ausgeübt werden kann, war der erste Tag an der Traun für Andy Paschek und mich eine Lektion in Demut. Dass am darauffolgenden Tag unsere stille Akzeptanz belohnt werden würde, war zum Zeitpunkt der Niedergeschlagenheit nicht zu erahnen. Der Himmel klarte auf, der Wind drehte, die Sonne kämpfte sich durch den Hochnebel, und an der Traun waren sanfte Anzeichen von Leben auszumachen: Ein zaghafter Schlupf, ein zarter Ring hier und da an der Oberfläche, als bunte Blätter sich im Wasser spiegelten. Die Gmundner Traun ließ uns erahnen, warum sie besonderen Ruf weit über die Grenzen Österreichs hinaus genießt.
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Andy Paschek says
Lieber Tankred,
Die Tage mit Dir und Albert waren ein denkwürdiges Ereignis und Dein spannender Artikel lässt die Erinnerungen wieder lebendig werden. Es war ein Privileg mit Euch Zeit zu verbringen, sei es fischend am Wasser oder philosophierend bei der obligatorischen Nachbesprechung. Auch wenn es uns die Bedingungen nicht ganz einfach gemacht haben, so hat uns die legendäre Traun doch noch den ein oder anderen schönen Fisch geschenkt.
Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen!
Beste Grüße! Andy
Peter Ebert says
Lieber Tankred,
Super, daß wir anscheinend dieselbe Leidenschaft pflegen, nämlich Fliegenfischen auf der Gewässerstrecke der Freunde der Gmundner Traun.
Auch ich kenne Albert und Roman seit Gründung des Vereins im Herbst 1989.
Verbunden mit prägenden Erinnerungen und tollen Sessions an diesem mystischen Fluss.
Noch heute praktiziere ich die dort von Roman erlernte Nymphenführung stromab sehr erfolgreich.
Aufgrund dessen habe ich nur eine Frage bezüglich Deines Artikels:
Wie führst/hältst Du eine beschwerte Nymphe in der Strömung der Gmundner Traun mit Hilfe eines Bissanzeigers in den von Dir gewünschten Gewässertiefen?
Sehr gerne würde ich das auch können.
Bis auf diese “spezielle Führungstechnik” finde ich Deinen Artikel sehr ansprechend interessant.
TL,
Peter
Tankred Rinder says
Hallo Peter,
mir war bewusst, mit meiner Kritik am Bissanzeiger an der ein oder anderen Stelle ein wenig anzuecken.
Auf deine Frage wie ich die Nymphe in einer Tiefe halte? Indem ich das Material und die Größe des Anzeigers so wähle, dass das Gewicht der Nymphe nicht reicht, um ihn unter Wasser zu ziehen. Für den Bissanzeiger aus Wolle, reicht da schon geringes Gewicht. Eine unbeschwerte Nymphe wird aber sogar von dem ‚getragen‘ werden.
Vielleicht hätte ich mich präziser ausdrücken müssen, indem ich behaupte, die Distanz zwischen der Nymphe und der Oberfläche ist dank des Trägers während der Drift gleichbleibend… von der Absink-Phase abgesehen.
Danke, dass Du den Beitrag ansonsten ansprechend findest.
TL, Tankred