Weit mehr als in den letzten Jahren rechne ich mir in diesem Frühjahr einen Ausnahmefisch aus. Mitgliedschaft in einem tollen Vereinsgewässer, milde Temperaturen während des Winters, aller Voraussicht nach gute Wasserstände – gute Voraussetzungen also eine schöne Forelle der 50+ cm Kategorie an den Haken bekommen. Befreundete Fliegenfischer im Verein sind vielleicht zugegen wenn mir das gelingt. Und anstatt meiner üblichen Fotos vom Fisch im Kescher, kann ich mich auch vielleicht abbilden lassen. Ob mit romantisch verklärten Blick auf die Fettflosse als möchte ich dem Fisch einen Heiratsantrag stellen, oder doch mit breitem Grinsen von Ohr zu Ohr, wird sich in der Situation klären. Worüber ich mir mehr Gedanken machen muss, als ob meine Visage inklusive Fisch medien- und webtauglich abgelichtet wird, ist und bleibt jedoch welche Auswirkungen meine Pose für die Ewigkeit auf die Überlebenschancen des Fisches hat. In Erinnerung gerufen wurde mir das im Beitrag des Neuseeländers Tony Bishop, der mir freundlicherweise die Erlaubnis erteilte, seinen Beitrag ‘Trout dying to get a photo’ ins Deutsche zu übertragen.
Trout dying to get a photo – Wenn Fotos töten
Wir alle sollten die Regeln kennen, die zurückgesetzten Forellen die besten Überlebenschancen einräumen.
• Schnell landen
• Mit nassen Händen angreifen
• Haken – widerhakenlos – im Wasser lösen
• Fische nicht auf trockenen Untergrund legen
• Fotos schnell schießen
Ein ganz wichtiger Hinweis wird jedoch selten erwähnt – der korrekte Griff für Fotos.
Stell Euch vor – ihr habt all die Regeln oben beachtet und möchtet den Stress für den Fisch so gut es geht eliminieren. Ihr hebt den Fisch auf für einige ‘Griff & Grinser’ Fotos, bevor er wieder behutsam zurück gesetzt wird. Aber ‘Griff & Grinser’ Fotos verkommen leicht zu ‘Griff & Kill’ Fotos. Denn die Überlebenschancen hängen auch davon ab, an welcher Körperstelle und wie man die Forelle anfasst.
Werft einen Blick auf die Anatomie einer Forelle, um die interne Struktur und die Position der Organe besser zu verstehen. Achtet besonders darauf wo das Herz (rot umkreist) positioniert ist – zwischen und unter Leber und Kiemen, direkt über der Brustflosse. Diese drei Organe – Herz, Kiemen und Leber – sind besonders empfindlich. Auch wenn Verletzung weniger offensichtlich sind als blutende Kiemen, können schwere Schäden unbemerkt aufgetreten sein und zu raschem Tod führen.
Ein Fisch auf dessen Organe Druck ausgeübt wird, mag beim Zurücksetzen scheinbar unverletzt wegschwimmen, doch bereits kurze Zeit später an den inneren Verletzungen sterben. Fische im Bereich der Brustflosse zu greifen und dabei nach innen zu pressen, übt Druck aufs Herz aus und vielleicht sogar auf die Leber und Kiemen. Was sich daraus für den Fisch ergibt kann möglicherweise fatal sein, auch wenn der Fisch beim Zurücksetzen wegschwimmt.
Wir sollten uns einige Griff & Kill Fotos ansehen die ich aus dem Web und Zeitschriften zusammen getragen – Personenportraits wurden verpixelt. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass möglicherweise keiner, einige oder alle der Fische zurückgesetzt wurden – es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden.
Dieser Griff – obwohl nicht tödlich, übt mit Sicherheit Stress auf das Herz des Fisches aus. Jeglicher Druck an der Stelle muss unterbunden werden.Jeglicher Stress der über das Landen des Fisches hinausgeht, muss unbedingt vermieden werden. Stress auf Herz und andere Organe auszuüben, erhöht die Mortalitätschance des Fisches.
Ein übler Griff – das Herz des Fisches wird mit wahrscheinlicher Sicherheit beschädigt und schränkt die Überlebenschancen ein.
Der schlimmste aller Griffe – fügt mit ziemlicher Sicherheit Herz-, Leber- und Kiemenschäden zu.
Der UK Griff – auch ein Killer!
Diejenigen unter Euch die englische Magazine und Webseiten lesen, haben vielleicht das Überhandnehmen dieses Motivs gesehen. Ich habe einen Stapel führender englischer Print- und Online Fliegenfischer Magazine durchgeblättert und nach Schätzung werden ungefähr 70% aller Fische mit diesem Griff gehalten, den ich von nun als ‘UK Griff’ bezeichnen möchte. Ich denke, dass Fische dort vornehmlich so abgebildet werden, um vorzuweisen das der Fang ‘full-finned’ (ohne Flossenschäden), oder ein wilder Fisch ist – alles nur kein Besatzfisch.
Im UK wird viel in besetzten Stillwasser gefischt. Viele Besatzfische weisen durch die Enge in Aufzuchtbecken Schäden an Schwanz- und anderen Flossen auf. Um darauf hinzuweisen, dass jener besagte Fisch alteingesessen ist, oder sogar einem endemischen Stamm entsprang, wird er so gehalten, damit die unbeschädigten Flossen hervor gehoben werden. Dieser Griff ist großartig um genau darauf hinzuweisen – aber ist er auch gesund für die Forellen? Nein!
Der UK Griff bedingt, dass die Schwanzwurzel des Fisches nicht sicher gefasst wird. Um den Fisch trotzdem sicher zu greifen, wird Druck im Herzbereich des Fisches ausgeübt. Schlägt der Fisch um sich wird der Griff im Brustbereich erhöht, da die Schwanzwurzel nicht sicher und solide gepackt ist. Ganz schlecht fürs Fischherz und andere Organe.
Leider beschränkt sich dieser Griff nicht auf das UK alleine und man sieht Griff & Kill Fotos dieser Art von überall, egal von wo auf dieser Welt. Er scheint aber vornehmlich dort ausgeübt zu werden. Diese Unart muss ein Ende nehmen. Magazine und Webseiten müssen damit aufhören, Fischposen mit diesem schädlichen Griff abzubilden.
Genau so sollte ein Fisch gehalten werden…
Einen Fisch hält man am besten nahe des Kopfes. Die Forelle wird dabei in den Fingern gewogen, wobei die die Finger an der Seite des Fisches angelegt werden. Kein Festklammern wie mit Krallen und auch kein Drücken dieser sensiblen Körperstelle.
Man sieht dass der Angler hockt, sodass die Forelle sich nahe am Wasser befindet, während man mehr als ein Foto aufnimmt – am besten begnügt man sich aber mit einem, oder ganz, ganz wenigen Fotos. Der Schlüssel, um so wenig wie möglich Druck auf den Brustbereich auszuüben, ist ein sicherer Griff an der Schwanzwurzel.
Eine der meist bekannten Guides aus Neuseeland Tony Entwhistle, Autor für das dortige Fish & Game Magazine, beschreibt am deutlichsten wie man gefangene Forellen am besten aufgreift (danke für die Erlaubnis des Abdrucks).
“Stress- und verletzungsfreies Aufgreifen von Forellen”
Forellen sicher aufzugreifen ohne dabei Stress oder Verletzung zu verursachen, ist eine Frage des sanften Anfassens und nicht des festen Griffs. Um eine Forelle ruhig zu stellen, legt man einfach die Hand vertikal über die Nase und bedeckt mit dem Handballen beide Augen. Das wirkt wie eine Maske und beruhigt den Fisch sofort. Forellen entspannen sich schnell wenn ihre Augen bedeckt sind.
Danach greift man mit der anderen Hand die Schwanzwurzel des Fisches ohne übertriebene Kraft anzuwenden. Manche Angler nehmen ein Stück einer Strumpfhose für einen sicheren Griff, doch das ist nicht notwendig. Eine Forelle sicher zu halten bedarf einzig ein wenig Druck zwischen Daumen und Zeigefinger, der an der Schwanzwurzel angebracht wird. Dort wo die Schwanzflosse in den Körper übergeht.
Der Druck wird an Ober- und Unterseite der Schwanzwurzel mit dem Fingergelenk von Daumen und Zeigefinger ausgeübt, anstatt entlang der Seite. Den Fehler den man dabei begehen kann, ist den Griff zu weit vorn dem Schwanz anzusetzen und dabei zuviel der eigenen Hand einzusetzen. Zudrücken hilft dabei nicht, da der Fisch dadurch noch leichter entrutscht.
Um zu prüfen wie sicher der Griff sitzt hebt man den Fisch leicht am Schwanz an, während die andere Hand noch immer die Augen bedeckt. Sitzt der Griff, wird die Forelle nicht entrutschen. Tut sie es trotzdem, darf man trotzdem nicht mit beiden Händen fest zupacken, sondern setzt den Fisch wieder im Kescher ab. Hält der Griff an der Schwanzwurzel, kann man nun die Forelle sicher und ohne Bedenken für ein Foto vor dem Zurücksetzen anheben.
Vermeidet unter allen Umständen den sanften Bauch unter den Brustflossen zu drücken, da das ein Umwohlgefühl und Stress verursacht und unter Umständen schwere interne Verletzungen verursachen kann.
Anstatt dessen wird die freie Hand unter die Brustflosse gelegt und die Hand dabei so ausgerichtet, dass der Kopf der Forelle am Zeigefinger ruht und die beiden Brustflossen zwischen Daumen und kleinen Finger gehalten werden.
Die Forelle wird so gut ausbalanciert und das weiche Gewebe der Bauchgegend wird nicht das Gewicht des Fisches tragen. Forellen auf diese Art anzuheben und sie zwischen Schnappschüssen ins Wasser zu legen, reduziert den Stress der Auslöser für das Zappeln ist. Dreht den Fisch auf den Bauch, während der Haken entfernt wird.
Greift man Forellen vorsichtig und mit Respekt auf, werden sie weder panisch werden noch Stress erleiden und man sichert dadurch die Erholung des Fisches vor dem Zurücksetzen ohne viel Aufwand und ohne innere Verletzungen.
‘Securely handling trout without causing stress or damage‘ wurde im Original in Neuseeland in Fish & Game Magazine veröffentlicht und ist urheberrechtlich geschützt – der Abdruck wurde erlaubt.
Die harten Fakten – Forellen aus dem Wasser heben
Ohne wenn und aber – eine Forelle für ein Foto aus dem Wasser zu heben, verursacht mit hoher Wahrscheinlichkeit Stress. Das ist zutreffend, auch wenn der Fisch sehr vorsichtig behandelt wurde und alle ‘Regeln der Kunst’ betreffend des Zurücksetzens beachtet wurden.
Macht man sich große Sorgen um die Überlebenschancen einer zurückgesetzten Forelle, hebt man sie besser nie aus dem Wasser. Kürzlich vorgestellte Studien deuten darauf hin, dass die Überlebenschance von aus dem Wasser gehobenen Fischen nach einem Drill beeinträchtigt wird. Dreißig Sekunden an der Luft reduziert die Überlebenschance um 30% und sechzig Sekunden um 70%.
“Der obenstehende Artikel erscheint mit der freundlichen Genehmigung des Autors Tony Bishop und erschien erstmals auf der Webseite Bish and Fish.”
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Talin says
Sehr guter Bericht! Danke.
Tankred Rinder says
Vielen Dank Talin,
mit ein wenig Vorsicht lassen sich schöne Fotos machen, ohne den Fischen Schaden zuzufügen.
Beste Grüße, Tankred
Blog@fliegenfischen-deutschland.de says
Ein schöner Artikel und wenn man die Empfehlungen beachtet ist eine maximale Überlebensrate mit Sicherheit gegeben. Etwas schmunzeln musste ich bei der Formulierung (Zitat):”• Mit nassen Händen angreifen”. Also ich greife den Fisch weder mit trockenen Händen an. Ich greife Ihn oder aber ergreife ihn mit nasser Hand! *lol*
Dennoch: Ich habe von Kindesbeinen an (das heißt über 45 Jahre) als Aquarist weitreichende Erfahrung im Umgang mit Süßwasserfischen aller Art. Ich kann diese übertieben vorsichtige Vorgehensweise nicht als unabdingabare Notwendigleit teilen. Fische, auch Forellen, halten sehr viel mehr aus, ohne Schaden zu nehmen, als man denkt. Forellen werden im Drill zweifellos Stress ausgesetzt. Dieser ist aber nichts, im Verhältniss zu dem Stress, den sie während der Laichzeit durch Artgenossen ausgesetzt sind. Auch mechanisch zugefügte Verletzungen sind bei der Fischerei sicherlich nicht völlig vermeidbar. Aber wenn man einmal bedenkt welchewr Urgewalt die Tiere allein schon bei einem Hochwasser ausgesetzt sind ist das ein Klacks. Treibgut, welches sie mit voller Wucht erwischt, Steine und Felsen, wo sie mit voller Wucht gegen prallen usw..
Die viel zitierten Organschäden kann ich in der Form ebenfalls nicht nachvollziehen, denn das Gewebe drum herum gibt nach und macht Platz für den gedrückten Bereich. wen man die Fische locker hält und nicht quetscht, als wenn man sie in einen Amboss spannt, dann ist hier auch keine Gefahr gegeben – egal wie und wo man sie festhält.
Insgesammt ist der Artikel etwas “Gutmenschenhaft” und dramatisiert an vielen Ecken. Dennoch schärft er das Bewusstsein und zeigt worum es bei der Fischerei geht: Dem fachkundigen und respektvollen Umgang mit einem Lebewesen! Darüber sollte man sich zu jeder Zeit im klaren sein und möglichst auch danach handeln. Beachtet man nur die geringsten Dinge, dann spricht auch nichts gegen ein schönes Fangfoto.
Tankred Rinder says
Haha Detlef,
mit meinem Sprachschatz betreibe ich gerne etwas Kulturpflege – ein Thema das im Lager der Gutmenschkritiker hohen Stellenwert geniesst, wenn ich die Nachrichten der letzten 12 Monate richtig deute. Das das Vertraute sich zur Zeit in einem riesigen Umbruch befindet und in den kommenden Jahren und Jahrzehnten nichts mehr so sein wird, wie es früher war oder jetzt noch ist, flimmert täglich über unsere Monitore. So auch die Haltung wie wir mit anderen Arten umgehen – egal ob bei Lebensmittelkonsum oder Freizeitgestaltung.
Das Lebewesen aller Art belastbarer sind als man es ihnen zutraut, beweisen sie seit Menschengedenken. Ob es ethisch und moralisch vertretbar ist, anderen ‘vermeidbaren’ Stress und Leid zuzufügen, weil man sie niedrigrangiger einstuft, kann einem nur das eigene Gewissen beantworten.
Stress dem sich Tiere hormongetrieben aussetzen – vom freien Willen lässt sich wohl nicht reden – lässt sich nicht mit der Belastung vergleichen, die beim Anblick eines zigfach größeren ‘Feindes’ entsteht, der einen zudem aus dem angestammten Element hieven möchte. An einen Ort wo einem die Luft wegbleibt.
Die Mortalitätsrate unter Fischen die bei Hochwasser keinen Unterschlupf finden, sich nicht in Randzonen begeben können, keine Verstecke auffinden weil diese bereits von stärkeren Tieren besetzt sind, und die von dir beschriebenen Erfahrungen machen ist sicherlich auch sehr hoch. Ich maße es mir nicht an zu behaupten – das stecken alle locker weg.
Mein Menschenverstand sagt mir, dass Quetschungen und Druckausübung einen nachhaltigen Schaden hinterlassen können. Ich möchte mir nicht vorstellen wollen, wie es sich für mich anfühlen könnte, würde mein Gewebe rund um Leber, Herz und Lungen für mehrere Sekunden ohne Schutz des Brustkorbs zusammengedrückt werden. Das Fische mit horrenden äußeren Verletzungen gut weiterleben, steht auf einem anderen Blatt Papier. Und das ein Forellenhirn ungefähr erbsengroß ist und Schmerz nicht im Sinne des menschlichen Verständnis wahrgenommen wird ist mir klar. Auch wenn mir Biologen das Gegenteil weis machen möchten, nachdem man in Experimenten Forellen Essigsäure oder Bienengift in die Lippen spritzte, worauf diese irritiert reagierten.
Ich wehre mich aber gegen Deine Bagatellisierung von ungewollt zugefügten Stress und Verletzungen durch unbedachte Handlungen – “weil das hat man schon immer so gemacht und hat bislang keinem geschadet”. Wir wissen es nicht mit aller Sicherheit was mit dem liebevoll gequetschten, etwas zu lang an der frischen Luft befindlichen Fisch passiert, wenn er scheinbar unverletzt wegschwimmt. Bei der Jagd verletzte anstatt getötete Tiere, legen auch oft kilometerweite Wege vom Ort des Geschehens zurück, bevor sie sich zum Sterben hinlegen.
Und um den Kreis zum Gutmenschen zu schließen – ich besitze soviel Abstraktionsvermögen um das urchristliche Verständnis ‘Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu’ auch auf das Tierreich anzuwenden. Somit: Foto? Alles klar und toll – hey, meine Seite lebt auch davon. Aber unter Beachtung wichtiger Richtlinien! Schön, dass wir uns trotzdem in vielen Punkten einig sind.
Grüße, Tankred