“Besuche einmal im Jahr einen Ort, den du noch nicht kennst.”, sagt der Dalai Lama. Ob diese Orte fünfzig oder fünftausend Kilometer entfernt sind, spielt für die Erweiterung des eigenen Horizonts keine Rolle. Oft sind sogar die Ecken, für die es keine Fernreise braucht, weniger bekannt, als jene für die man ins Flugzeug steigen müsste. So folgte ich in diesem Jahr einer Einladung, ins Berchtesgadener Land zu kommen, um gemeinsam die Saalach zu befischen. Hattest Du noch nie zuvor gehört? Keine Sorge – ich auch nicht!
Saale, Salza, Salzach – alles bekannt. Aber Saalach? Dazu musste ich mich erst schlau machen. An meiner Recherche überraschte mich am meisten, einen Fluss dieser Größe nicht am Radar gehabt zu haben. Da meine Erkundigung schnell ins Leere lief, verließ ich mich auf die Erzählungen von Sepp Prantler, einem Leser dieser Seite der durch seine ausführlichen, fundierten und geistreichen Kommentare auf meine Beiträge, dem ein oder anderen bekannt sein könnte. Er hatte mich dorthin eingeladen, als wir uns darüber unterhielten, dass Flüsse in der Ferne nicht zwingend viel besser sein müssen, als die Angebote vor der Haustüre. Anhand seiner Erzählung war ich sehr gespannt auf sein Heimgewässer.
Die Reiseberichte die ich entdeckte, handelten fast ausschließlich von der salzburgischen Saalach. Da ich aber erfuhr, in Bayern zu angeln, ließ ich mich schnell von den Bildern aus dem Berchtesgadener Land verzaubern. Als Stadtkind erliege ich zwar dem Charme des urbanen Fliegenfischens: Tiefe Rinnen entlang hoher Fabriksmauern, Verkehrslärm und all die anderen Hinweise an die städtische Nähe jener Salmonidengewässer. Der Eindruck alpiner Flüsse ist aber unbestritten erhaben. Auch wenn selbst die nie völlig frei sind von Randerscheinungen städtischen Einflusses. Schließlich suchen die Ausflügler auf zwei und vier Rädern nach demselben wie wir: Entspannung und Erholung in schöner Natur. Wer an sonnigen Tagen entlang unserer Eifelflüsse fischt, wird wissen wovon ich spreche. Da müssen mich visuelle Störern wie schlechte Graffitis an Brücken auch nicht besonders aufreiben. Erhebt sich vor mir aber das mächtige Panorama der Berchtesgadener Alpen und stehe ich im türkisgrünen Wasser eines mächtigen Flusses, wird mir unvermittelt klar, warum Fliegenfischen für die glücklichsten Momente meines Lebens sorgt – Fang hin oder her.
Bevor jetzt falsche Gedanken aufkommen: Auch die waren eine Augenweide. Junge, Junge… wie haben wir gefangen! Wobei die Betonung tatsächlich auch auf dem WIE liegt. Grundsätzlich wäre es uns laut der Fangbestimmungen erlaubt gewesen, uns aller bekannten und populären Methoden des Fliegenfischens zu bedienen inklusive der Nutzung von mehr als einer Fliege. Das trifft man nicht überall an und ermöglich erst den Einsatz moderner, aber auch traditioneller Techniken. Stichwort: klassisches Spider-Fischen. Meine Neugier beim Erkunden eines neuen Gewässers, speziell in Begleitung eines Ortskundigen, überwiegt dann doch und mich interessieren lokale Techniken. Ich war also nicht wenig verblüfft, als Sepp Prantler mir in den Wochen vor unserem Treffen mitteilte, dass wir keine anderen Fliegen brauchten als eine Kite’s Imperial oder Emmebäse in der Größe 12. Damit sei der Fang schöner Äschen garantiert. Skepsis machte sich breit.
Der Tipp steht im krassen Gegensatz zu all meinen Ansätzen bei der herbstlichen Äschenfischerei. Greife ich doch für gewöhnlich zu einem Emerger in Größe 18-20 zu der Jahreszeit, anstatt der Imitation einer Dun in einer Größe wie ich sie maximal im zeitigen Frühjahr ans Vorfach knüpfe. Als mir Sepp zudem berichtete, er bevorzuge die Trockenfliegenfischerei flussab, um die an der Saalach vorfachscheuen Äschen nicht zu vergrämen, musste ich umgehend an das Wochenende davor denken, als Andy Paschek und ich die Gmundner Traun besuchten. Der begleitete mich auch hierhin und seine Skepsis war ähnlich groß.
Es ist faszinierend, erfahrene Angler zu beobachten, die eine scheinbar unorthodoxe Technik perfektioniert haben. Noch während Andy und ich uns überlegten, wie, womit und mit welchem Gewicht wir der beachtlichen Wassergeschwindigkeit und – tiefe des langgezogenen Pools Herr werden könnten, sahen wir aus dem Augenwinkel Sepps gekrümmte Rute. Dass er dabei einige Meter vom Ufer entfernt stand, während wir uns gerade daran machten, ins Wasser zu steigen, ließ in unseren Köpfen eine Glühbirne angehen: Rivercraft. Mir fällt nach all den Jahren hier in Deutschland noch immer keine überzeugende Übersetzung ein. Wer eine kennt, möchte mich die bitte wissen lassen. Gemeint ist mit diesem Begriff, das ‘handwerkliche’ Geschick und Gespür sich unbemerkt am Gewässer zu bewegen. Es sticht einfach immer Muster und Imitation. Bevor Sepps Watschuhe noch das Wasser berührten, landete er schon Forelle Nummer zwei.
Dass wir ohne brusthohe Wathosen an der Saalach aber kein Auskommen fänden, wussten wir spätestens, als wir das erste Mal von einem Ufer ans andere wechselten. Kein ungefährliches Unterfangen und ich wünschte, den Watstock nicht zu Hause gelassen zu haben. Es sollte auch nicht die einzige Flussüberquerung an diesem Tag bleiben. Als wir uns gegen die Strömung stemmten und das Wasser schon kurz vom Ufer entfernt, bis zum Bauch reichte, wurde mir auch klar, mein dogmatisches Festhalten am Flussauf-Fischen zu überdenken. Es mag an kleinen und mittleren Flüssen berechtigt, vermutlich sogar erforderlich sein. An großen Flüssen wie der Saalach führt es aber schnell zu Übermüdung. Es zehrt einfach weniger an den Kräften, die Strömung von hinten an sich abprallen zu lassen und mit wenigen, vorsichtig gesetzten Schritte ein ums andere Mal nach vor, rasch Strecke zu machen.
Auf die Art genossen wir das seltene Privileg, zu zweit von der Flussmitte aus, der eine nach links, der andere nach rechts seine Trockenfliege schräg flussab zu präsentieren, sie für einige Sekunden in einer direkten Linie unter uns gegen die Strömung zu halten, sie ein wenig einzuzupfen, wieder ein wenig abtreiben zu lassen, um sie abermals ein wenig heranzuholen, festzuhalten und erneut abtreiben zu lassen. Was im ersten Moment irrsinnig und unnatürlich erscheinen mag, lässt sich als Verhalten an Köcherfliegen beobachten. Die starten nämlich auch gegen den Druck der Strömung, um an Flughöhe zu gewinnen. Diese Form des Trockenfliegenfischens mag für mich neu gewesen sein, für altgediente Fliegenfischer ist das allerdings kein Geheimnis.
Hans Eiber widmet in Das ist Fliegenfischen – einem wie ich finde hervorragendem Buch – genau dieser Technik mehrere Seiten, als er von einem Erlebnis mit Hans Aigner an der oberösterreichischen Steyr berichtet. Von Hans Gebetsroither soll der Ausdruck stammen: “Wenn die Forellen schlafen, musst du sie aufwecken”, in Bezug auf die Technik mit der “geschlitterten” oder “gezupften” Fliege zu fischen. Ob Gebetsroither es vom Amerikaner Leonard M. Wright Jr. abschaute oder umgekehrt, werde ich nie eruieren und im Grunde genommen ist es nicht wichtig. Der schreibt nämlich in seinem Buch Fishing the Dry Fly as a Living Object, in dem das Festhalten am “Dead-Drift” Trockenfliegenfischen auf den Prüfstand gestellt wird, von der gemeinsamen Angelei mit Gebetsroither an der Gmundner Traun. Und da Sepp Prantler ebenfalls viel Zeit an der Gmundner Traun mit Hans Aigner verbrachte, schloss sich für mich bei meinem Ausflug an die Saalach ein Kreis: Ein gut gehütetes Geheimnis offenbarte mir ein Weiteres.
So bin ich aus dem Wochenende an der Saalach um vieles reicher zurückgekehrt. Um die persönliche Bekanntschaft mit einem Fliegenfischer, der mir nicht nur ein fantastisches Gewässer vorstellte, sondern zugleich eine bereichernde Technik eröffnete, die ich im kommenden Jahr mit Sicherheit noch öfter ergründen werde. Zudem mit der Erinnerung an ein harmonisches Wochenende unter Menschen die hoffentlich zu Freunden werden, und an einen Fluss der mir eine der größten Äschen in diesem Jahr bescherte. Lieber Sepp – ich danke Dir!
Wer sich selbst einmal ein Bild von der Fischerei an der Saalach machen möchte, besucht am besten die Seite des Bezirksfischereiverein Saalachtal e.V., um weitere Erkundigungen einzuholen.
Discover more from Forelle & Äsche | Fliegenfischen | Fliegenbinden
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Josef Prantler says
Dein Bericht von den zwei Tagen an der Saalach beschreibt die fischereiliche Situation zu der Zeit sehr gut. Schön, daß es Dir und Andy Freude bereitet hat!
Ein paar kleine Ergänzungen und einige wichtige Informationen zu Saalach möchte ich dazu gerne noch einbringen:
Die meisten Fische auf Trockenfliege wurden zu der Zeit von mir in der “Dead Drift” gefangen. Nur an einigen Stellen konnten die Fische auf diese Weise nicht angesprochen werden. Es empfiehlt sich, die Trockenfliege immer zuerst in einer möglichst langen und sauberen “Dead Drift” zu präsentieren, um anschließend die Schnur zu stoppen, die Fliege über die Wasseroberläche driften zu lassen und einige Strips einzulegen. Dann stellt man schnell fest, was die Fische gerade bevorzugen und kann seine Taktik entsprechend abstimmen.
Die Saalach kommt aus den Bergen und unterliegt den damit verbundenen Wetterbedingungen. Gästekarten werden ab dem 1. Mai ausgegeben. Da kann es noch Schmelzwasser haben, was eine sinnvolle Fischerei fast unmöglich macht. Danach kommt es im großen Einzugsgebiet, das die Saalach speist, in einem oder mehreren der vielen Seitentäler immer mal wieder zu starken Gewittern, die das Wasser stark eintrüben. Das ganze Frühjahr und der größte Teil des Sommers sind also gefährdet, daß es zu Gewässersituationen kommt, in der eine Fischerei wenig bis keinen Sinn macht. Das sogar bei anscheinend stabilen Wetterverhältnissen.
Es empfiehlt sich deshalb den Wasserstand kurz vor einer beabsichtigten Fischerei zu prüfen. Beim Pegel Unterjettenberg sollte die Abflussmenge unter 30 Kubikmeter/Sekunde sein: https://www.hnd.bayern.de/pegel/inn/unterjettenberg-18642003/abfluss?
Zusätzlich sollte die Wassertrübung der Webcam in der Teufelsschlucht kontrolliert werden: https://www.foto-webcam.eu/webcam/lofer/
Wenn Wasserstand und -trübung passen, kann man aber tatsächlich an der Saalach eine sehr schöne Fliegenfischerei erleben. Wer für einen bestimmten Zeitraum im Voraus buchen will oder muß, sollte allerdings alternative Fischreireviere mit einplanen.
Es bieten sich dazu zum Beispiel in unmittelbarer Nähe die Gewässer in Berchtesgaden an. Und wer auch gerne in Seen fischt, der Thumsee (unbedingt Boot reservieren) oder der Hintersee in der Ramsau, die beide landschaftlich sehr schön sind.
Herzliche Grüße, Sepp Prantler
Tankred Rinder says
Lieber Sepp, herzlichen Dank für die Berichtigung und besonders die Ergänzung zur Saalach selbst. Ich freue mich auf unsere nächste Zusammenkunft im Berchtesgadener Land.
Wünsche Dir ein gesundes und erfolgreiches 2025.
Grüße, Tankred
Peter Ebert says
Servus Tankred,
Toller Fluss, netter Bericht, ist ne Reise wert, ganz sicher, schaun wer mal…
Auf jeden Fall, Dir und Deinen Lieben ein gesegnetes Christfest und erholsame Feiertage.
Herzlichen Grüße vom Bodensee,
Peter
Tankred Rinder says
Servus Peter,
die Saalach ist auf alle Fälle einen Besuch wert. Der Fischbestand ist gut – sofern sich das innerhalb eines Wochenendes mit Genauigkeit behaupten lässt – und die Landschaft ist umwerfend. Für mich war es eine Entdeckung.
Ich wünsche Dir und Deinen Nächsten ebenfalls besinnliche Christtage.
Liebe Grüße, Tankred
generouscasually8fb552b2f9 says
Hallo Tankred,
Danke für den schönen Bericht zum Jahresende.
Ich wünsche Dir und Deiner Familie schöne Feiertage.
Liebe Grüße aus Regensburg, Jens
Tankred Rinder says
Hallo Jens,
ich danke Dir für das Lesen dieser Seite seit vielen Jahren, sowie den regelmäßigen Kauf der im Forelle & Äsche Verlag veröffentlichten Bücher.
Fröhliche Weihnachten von ganzem Herzen.
Liebe Grüße, Tankred