Dass es um unsere Fischbestände zunehmend schlechter steht, werden AnglerInnen bestätigen, die seit mehr als zwanzig Jahren mit der Fliege fischen. Die Verursacher dieses Zustands sind weitestgehend bekannt. Beginnend mit der Erderwärmung, die zwischen 1970 und 2000 rascher anstieg als in allen 50-Jahr Abschnitten seit den letzten zweitausend Jahren; über die infrastrukturellen Veränderungen unserer Fließgewässer zur Energiegewinnung und zum Schutz ländlicher Nutzflächen und urbaner Ansiedelungen; über den schonungslosen Ressourcenraubbau unserer Meere der für die Überhandnahme von Prädatoren wie dem Kormoran an Gewässern im Landesinneren mitverantwortlich ist. Dass diese Vogelart ihren Schutzstatus schon längst verloren haben sollte, steht auf einem anderen Blatt Papier. Nicht zuletzt trägt die intensive landwirtschaftliche Erzeugung mit ihrem Einfluss auf unsere Böden, maßgeblich zur Überdüngung unserer Gewässer bei, was wiederum zu algenbedingtem Sauerstoffarmut führt.
Die Auswirkungen intensiver landwirtschaftlicher Nutzung gerieten während der letzten Jahre verstärkt in die Öffentlichkeit. So steht das Massensterben heimischer Insekten und ihr massiver Rückgang während eines relativ kurzen Zeitraums um sage und schreibe 75% unwiderlegbar im Zusammenhang mit der intensiven Nutzung von Insektiziden, allen voran Neonikotinoide, einer besonders aggressiven Form von Pestizid. Seit 2018 ist in der EU die Nutzung diese Wirkstoffe im Freiland verboten, auch wenn sie nach wie vor z.B. in Gewächshäusern zum Einsatz kommen dürfen, als auch in Länder ausgeführt werden dürfen, mit weniger strikten Kontrollen von Umweltauflagen.
Dringend nötige Auflagen die auch bei uns vehementem Druck seitens der Agrarindustrie ausgesetzt sind. Die geplante Streichung der Agrarsubventionen mag zwar der Anlass für die Bauernproteste gewesen sein. Der Forderungskatalog an die Regierung seitens der Agrarlobby beinhaltete aber auch eine Rücknahme der EU-weit geltenden Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, unter der die landwirtschaftlichen Erträge angeblich so zu leiden haben. Sicherlich ist diese Haltung mit ein Grund, warum nicht jeder vollstes Verständnis für die Proteste hierzulande und in Europa hat. Diese Ressentiments werden auch nicht weniger, wenn man erfährt, dass ein geplanter Gesetzentwurf der EU gegen zu hohen Pestizideinsatz, Anfang Februar dieses Jahres wegen der europaweiten Proteste wieder zurückgezogen wurde. Wir Angler dürfen uns seitens weiter Teile der Landwirtschaft vermutlich keine allzu große Unterstützung für die Erhaltung gesunder Gewässer erwarten.
Wandel beginnt aber ohnehin stets im Kleinen und am effektivsten dort, worauf ich als Individuum Einfluss habe. Nicht dass ich die großen Verursacher von Missständen damit aus ihrer Verantwortung befreien möchte. Veränderung erziele ich aber am ehesten damit, dass ich Situationen ändere, auf die ich persönlich einwirken kann – das gilt für toxische Beziehungen genau so, wie für schlechte Arbeitsplatzbedingungen, oder eben Umweltschutz. Somit sollten wir AnglerInnen unsere Aufmerksamkeit darauf richten, wie auch wir einen Beitrag zur Reduktion von Pestiziden in unseren Gewässern und dem damit einhergehenden Massensterben von Insekten leisten können.
Britische Wissenschaftler hatten kürzlich anhand von Gewässerproben massiv erhöhte Rückstände an Nikotinoiden in Flüssen gemessen. Erst kamen sie ins Grübeln, woher diese Einlässe ins Wasser stammen könnten, wenn doch ein seit mehreren Jahren geltendes Verbot dieser Insektizide in der Landwirtschaft besteht. Schließlich kamen sie dem Rätsel auf die Spur.
Die Wirkstoffe, die in der Landwirtschaft nicht mehr zum Einsatz kommen, um das enorme Insektensterben aufzuhalten, dürfen ohne weiteres als Antiparasitika an Haustieren eingesetzt werden. In Form von sogenannten Spot-ons: Also jener Halsbänder die routinemäßig Hunden und Katzen präventiv umgehängt werden, um vor dem lästigen Getier zu schützen. Die in den Spot-ons enthaltenen Insektizide können über Haare, Hautschuppen, dem Fellwechsel, sowie Kot und Urin in der Umwelt verteilt werden. Weiters gelangen über Haushaltsabwässer nach einem Bad der damit behandelten Tiere, dem Waschen von Hundedecken, durch Regen oder durch das Schwimmen von Hunden, die giftigen Wirkstoffe in unsere Gewässer. Selbst durch menschliches Händewaschen geraten Rückstände an Insektiziden in heimische Flüsse. Und das in einem Ausmaß, dass selbst der Britische Veterinärverband (BVA) dazu aufruft, die wissenschaftlichen Bedenken ernst zu nehmen und auf herkömmliche Vorbeugemaßnahmen zum Schutz von Haustieren zurückzugreifen.
– regelmäßiges Bürsten
– Shampoos mit natürlichen Wirkstoffen wie Neemöl, Lavendel oder Rosmarin
– Flohbänder auf Basis ätherischer Öle wie Zedernholz und Eukalyptus
– regelmäßige Pflege von Teppichen und Tierdecken zur Abtötung von Floheiern und Larven
Jeder der jetzt denkt, dass gehe ihn nichts an, da er keine Haustiere besitzt, denke doch bitte mal an den steten Rückgang an aquatischen Insekten in unseren Gewässern – der Nahrungsgrundlage aller Salmoniden. Ein sanfter Appell an Tierhalter in der Verwandtschaft und Nachbarschaft mag ungeahnte Wirksamkeit entfalten kann. Manchmal dauert es ein wenig, bis die Botschaft ankommt. Aber Beharrlichkeit ist eine Tugend die uns FliegenfischerInnen nicht fremd sein sollte. Was jetzt vielleicht wie eine hypersensible Warnung erscheint, mag früher oder später, mit zunehmender Berichterstattung von mehreren Seiten, den gewünschten Effekt erzielen.
Meine Schwiegereltern und die erweiterte Familie tat es anfangs auch als Spleen ab, als ich schon vor zehn Jahren es höflich aber bestimmt ablehnte, gewöhnlichen Supermarkt-Lachs zu essen. Jetzt, sensibilisiert für das Thema, kämen sie nicht mehr auf die Idee, mir diesen beim Abendessen vorzusetzen. Sich häufende, öffentlichkeitswirksame Berichterstattung über mehr und mehr Restaurants die Zuchtlachs von der Speisekarte nehmen, erwidern sie jetzt mit einem selbstzufriedenem: “Kaufen wir schon lange nicht mehr.”
The power of one – sag es weiter!
Vetline.de – Umweltbelastung durch Spot-ons
Wildtrout.org – Gewässerverschmutzung durch Flohbänder
British Veterinary Association – Für einen verantwortungsvollen Umgang mit Parasitika an Haustieren
Discover more from Forelle & Äsche | Fliegenfischen | Fliegenbinden
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Christian says
Hallo Tankred!
Ein interessanter Beitrag mit einer Problematik, die mir bisher (und als ehemaliger Hundebesitzer) nicht bekannt war! Gut, dass unser Hund sehr, sehr wasserscheu war. Und auch gut, dass ich seine Haare nie für meine Fliegen genutzt habe – das wären echte “Killer” gewesen!
Tight Lines und viel Erfolg für Dein neues Buchprojekt, Christian
Tankred Rinder says
Hallo Christian – danke Dir. Ich fand es auch höchst spannend, als ich auf der Seite vom englischen Wild Trout Trust darüber stieß. Hätte ich Deinen Hund nicht gegen Ende seines Lebens ein wenig gekannt, müsste ich fragen, ob Du sicher bist, dass er an Altersschwäche starb. Vielen Dank für die Glückwünsche zum Erfolg von Line Poetry – wir sind alle schon sehr gespannt. Tight lines, Tankred
Heribert Hahne says
“seit den letzten zweitausend Jahren; über die infrastrukturellen Veränderungen unserer Fließgewässer” … da fehlt noch das Wort ‘galoppierenden’ in diesem Satz. Und ich sage Euch: Solange Geld und die Gier nach dem Mammon den Lauf unserer Welt bestimmt, wird es keinen Millimeter zurückgehen – da können wir schreien, weinen und um Änderung betteln soviel wie wir wollen. Am Ende werden wir uns selbst Zugrunde gerichtet haben.
Tankred Rinder says
Leider wahr. Als Konsumenten sind wir hinsichtlich vieler Entscheidungen aber leider oft zu wenig informiert. Ich hatte mir bisher noch keine Gedanken gemacht, was wir unseren Haustieren um den Hals hängen. Dass es aber zu viele ignorante Menschen gibt, die aus Rücksichtslosigkeit oder Bequemlichkeit letztlich gegen ihre eigenen Interessen – also eine intakte Umwelt- handeln trifft mit Sicherheit zu. LG Tankred
Karl B. says
Wie sieht die Lage bei landwirtschaftlichen Nutztieren aus, Rinder, Schafe und Pferde werden z. B. mit Ivomectin als Spoton behandelt! Was sagt die BVA dazu?
Tankred Rinder says
Das ist ein sehr interessanter Hinweis Karl! Ich vermute, die Beurteilung ist dieselbe. Vermutlich gelangen auch die Rückstände dieser behandelten Tiere in unsere Gewässer. Ansetzen wird man sicherlich bei beiden Tiergruppen müssen, möchte man Einträge in Böden und Wasser reduzieren.
LG Tankred
Hubert Tschunkert says
Danke für den Beitrag. Ich bin seit einigen Jahren im Wanderfischprogramm für NRW tätig. Werde die Info weitergeben.
Gruss Hubert
Tankred Rinder says
Sehr gerne. Danke fürs Weitergeben. Spannend wofür Du dich engagierst Hubert. Möchtest Du das Programm einmal in einem Beitrag vorstellen? Gerne auch als Interview. LG Tankred
Peter Gebhardt says
Super Beitrag, vielen Dank dafür. Bin selbst im Umweltschutz tätg aber das wusste ich noch nicht. Ich trags gerne weiter. Besondern an meine befreundeten Tierärtztinnen.
L.G. Peter
Tankred Rinder says
Ich war auch völlig erstaunt, das zu lesen. Es wäre erfreulich, wenn so viele Tierhalter und Tierärzte wie möglich, auf eine präventive Behandlung verzichten würden. LG Tankred