© Andrew Hogg
Loch Borralie, Loch Caladail, Loch Croispol und Loch Lanlish. Dem Internet, sozialen Medien, Fachzeitschriften und unserer Reiselust ist es zu verdanken, dass wir Fliegenfischer einen gehörigen Teil unserer Zeit damit verbringen, in unserer Phantasie Ausflüge an Gewässer zu machen, die wir in der Form in unserer Heimat nicht vorfinden. Das Vertraute ist gut – das Fremde weiß jedoch auch zu locken. Seit Jahren wünsche ich mir einen Ausflug ins schottische Durness. Der in Wien lebende Schotte Andrew Hogg – Betreiber von Wildside Flyfishing – hat diesen Traum mit folgendem Beitrag, um einiges näher gebracht.
Schottland ist für vieles bekannt. Große, behaarte Männer die sich mit Baumstämmen bewerfen, um die Massen zu unterhalten. Bernsteinfarbige Getränke, die schon nach mäßigem Konsum, jegliche Verbindung zwischen Beinen und Gehirn ausschalten. Grüne rollende Heiden und Hügel, auf denen kleine wilde Haggis herumstreunen – ok, das war herbei fantasiert, nach all dem herrlichen bernsteinfarbigen Gesöff. Was mit Sicherheit nicht erfunden ist, ist die Aussicht am äussersten nordwestlichen Schottlands ein Gebiet vorzufinden, in dem Bachforellen (brown trout) verglichen mit ihren Artgenossen verteilt über das ganze Land, zu beachtlichen Größen heranwachsen. In Gewässern die so klar sind, dass ihr Inhalt sich kaum unterscheidet von dem, der uns in schicken Restaurants abgefüllt vorgesetzt wird. Dieses Wasser findet sich in den vier Kalkstein Seen: Borralie, Caladail, Croispol und Lanlish in der Nähe von Durness, einem Paradies für Fliegenfischer.
Schottland hat eine bestechende Anzahl an Gewässern, die noch nie einen Bewohner aus einer Aufzucht kennen lernten. Es gibt ungefähr 31.000 Lochs zur Auswahl – die meisten voll von Fischen, manche komplett leer – und dazu noch unzählige Flüsse und Bäche. Einige der begehrtesten Angeldestinationen der Welt befinden sich darunter: Spey, Tweed, Loch Leven und der gewaltige Loch Lomond. In Schottland hat der Fliegenfischer die Qual der Wahl und es mangelt nicht an Gewässern, an denen man die Fliege auswerfen kann.
Streift man zum ersten Mal entlang der Ufer der Kalkstein Lochs, muss man sich erst zwicken um zu realisieren, nicht tagträumend durch die Landschaft zu spazieren. Die hellblauen, beinahe tropisch erscheinenden Seen entspringen nicht der Phantasie. Die Lochs nahe Durness füllen eine Wanne aus Kalkgestein, die den Seen basische Qualität verleihen und daraus resultierend: Nahrungsreichtum. Das Wasser wird zudem kristallklar und bietet den Forellen die Gelegenheit, in relativ kurzer Zeit stattlich abzuwachsen.
Wer Schottland kennt wird zu schätzen wissen, dass das in den Highlands und weiten Teilen Schottlands nicht der Norm entspricht. Das Wasser in den meisten Flüssen und Seen Schottlands ist von Natur aus dunkel gefärbt: wundervoll torfiges, mysteriöses von Bachforellen geschätzes braunes Wasser – wie ein wässriges Guiness, sollte es so etwas geben. Das sind die Verhältnisse die den meisten schottischen Anglern bekannt sind. Jedoch der erste Besuch in Durness, bringt selbst erfahrene Angler um den Verstand und löst nicht selten eine lebenslange Sucht nach Kalksteinseen aus.
Gut, nun weiß man, dass die Forellen in diesen Lochs groß werden. Man weiß jetzt auch, dass sie nicht den gängigen schottischen Verhältnissen entsprechen. Was man nicht weiß – diese Seen zählen gleichzeitig zu den herausfordernsten Gewässern in ganz Schottland. Denn die perfekt anmutenden Seen ziehen eine harte Prüfung nach sich: die Forellen können das kleinsten Detail an unseren Fliegen begutachten. Man ist besser darauf vorbereitet viele, und ich meine VIELE Fehlbisse zu erleben. Von Forellen die es sich zweimal überlegen mit Gusto auf unsere Fliegen einzusteigen. Dass sich dabei Frustration bei Fliegenfischern breit machen kann ist klar, aber die Qualität der Fische ist jede Minute des Zweifels, des Ärgers der Niedergeschlagenheit wert.
Perfekt geformte, hell gefärbte Forellen die in keinster Weise ihren dunkel gezeichneten Verwandten aus den Highland Lochs gleichen. Man möge sogar meinen, diese Fische sehen aus wie Meerforellen, mit silbrig, weißen Flanken, kleinen dunklen Flecken und helloliv bis braunen Rücken. Die größte, jemals mit der Fliege gefangene Forelle aus diesen Lochs, wog satte 14 Pfund und von der Existenz noch größerer Fische wird hinter vorgehaltener Hand gemauschelt. Wahrscheinlich lassen sich diese Forellen kaum mit der Fliege verführen – dennoch, gut zu wissen, dass es sie gibt. Durchschnittliche Fische bringen um die 2 Pfund auf die Waage, was für Wildfische eine ansehnliche Größe darstellt.
Forellen in diesen Lochs zu fangen, bedingt etwas delikateres Stillwassergerät. Eine 9ft 6in Rute in der Schnurklasse 5# oder 6# sollte fürs Fischen vom Ufer, selbst bei den zu erwartenden Winden ausreichend sein. An Caladail und Borralie kann man sowohl vom Ufer als auch vom Boot aus fischen. Auf schweres Gerät sollte man trotzdem verzichten, um unvorsichtiger Präsentation und erschreckten Fischen vorzubeugen. Sinkschnüre sind beim Bootfischen sicherlich vorteilhaft und eine vernünftige Ergänzung der Ausrüstung. Für die Fischerei vom Ufer braucht es nicht mehr als eine Schwimmschnur, da sich viele der besten Stellen in Wurfweite befinden. Vorfächer sind ein sehr persönliches Thema. Aber egal ob knotenlos verjüngt aus dem Handel, oder selbst geknüpft: Hauptsache ausreichend lang – zwischen 5 bis 7 Meter Länge – mit einem 5 Pfund Tippet als Abschluss. Die extra Distanz zwischen Fliegen und Schnur, macht den Unterschied in diesem klaren Wasser aus .
Immer wieder kann man Fliegenfischer enttäuscht und neidergeschlagen von den Kalkstein Lochs zurückkehren sehen – kein Wunder, wenn das Vorfach nur eine Länge von 3m ausmacht. Eine der heißesten Tipps für das Fliegenfischen hier lautet also: fischt mit so langem Vorfach, wie ihr beherrschen könnt. Lieblingsfliegen sind eine Mischung aus Klassiker und Moderne und reichen von Silver Invicta, Highland Sedge, Kingfisher Butcher bis hin zu Olive und Hare’s Ear Hedgehogs. Eine Faustregel bei der Fliegenwahl lautet: gold und orange bei hellem Wetter und braun bei bedecktem Himmel. Wie bei allen Angelangelegenheiten: nichts lässt sich mit 100% Sicherheit vorhersagen, doch diese Faustformel hat sich während vieler Jahre bewährt.
Nicht zu unterschätzen sind auch die frühen Morgen- und späten Abendstunden. An Borralie oder Lanlish lohnt es sich wirklich erst ab 20:00 mit dem Fischen zu beginnen und bis 4:00 oder 5:00 am nächsten Morgen durchzuhalten. Viele der größeren Fische kommen nachts in die Randzonen, um im Schutz der Dunkelheit Nahrung aufzunehmen. Nicht selten werden die besten und größten Fische zu dieser Tageszeit gefangen. In der Stille der Nacht eine 4 Pfund Forelle am Wasser aufklatschen zu hören, bleibt unvergesslich für den Rest des Lebens.
Wenn ich also das nächste Mal an Schottland denke, versteife ich mich nicht auf Highland Games, Whisky, Haggis und Dudelsäcke. Ich denke an glasklares Wasser, das an meiner Wathose plätschert und ans Fliegenfischen auf wilde Forellen, wie es in der Form zum Besten zählt was das Vereinigte Königreich zu bieten hat. Beinahe habe ich das Gefühl schon dort zu sein…
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