
Nicht wenige Fliegenfischer scheinen dem Stillwasserfischen skeptisch gegenüber zu stehen, ohne es jemals versucht zu haben. Aus ihrer Sicht beheimaten diese Gewässer durch Menschenhand aufgezogene Retortenforellen, deren Fang unter der Würde des erhabenen Fliegenfischer liegt. Erst mit dem Fang eines vermeintlich wilden, vorsichtigen und selektiven Fisches, fühlt sich so mancher Fliegenfischer in seiner Fähigkeit bestätigt. Dass die Fischzucht in Deutschland und Frankreich um 1840 entwickelt wurde und im 21. Jahrhundert beinahe kein natürliches Fischwasser ohne stützenden Besatz auskommt, wird dabei gerne vergessen.
Die schöne Bachforelle im Kescher, kann unter Umständen noch vor wenigen Wochen im Zuchtbecken geschwommen sein. Dass Besatzforellen in Seen nach geraumer Zeit der Orientierungslosigkeit, in der sie sich aus Hunger oder Neugierde auf jede künstliche Fliege stürzen, erstaunliche Fähigkeiten zur selektiven Nahrungsaufnahme entwickeln, wird dabei geflissentlich übersehen.
Ich erinnere mich gut an einen Ausflug mit einem befreundeten Fliegenfischer an das englische Eyebrook Reservoir. Skeptisch liess er sich breitschlagen, mich doch für eine Woche nach England zu begleiten. Seine Meinung zum Stillwasserfischen wurde in dieser Woche gehörig auf den Kopf gestellt. Als wir schon von weiten die Regenbogenforellen beobachten konnten, wie ihre Rücken aus dem Wasser tauchten um einen der hilflos im Wasser treibenden Daddy-Long-Legs zu schnappen, schien der Erfolg bereits garantiert während wir noch unser Gerät zusammenstellten.
Dass seine Imitation in braun, um nur eine Hakengröße länger als meine mit orangem Körper, sträflich ignoriert wurde, wohingegen ich einen Biss nach dem anderen hatte, wollte ihm nicht so richtig eingehen. Als innerhalb von drei Stunden, die Fressorgie sich auf winzige Zuckmückenlarven in der Hakengröße #20 umstellte, die knapp unter der Wasseroberfläche genommen wurde, während die Oberfläche mit richtig fetten Schnaken übersät war, raubte ihm beinahe den Verstand.
Winzige Unterschiede in der Hakengröße, der Färbung des Körpers und der Rippung, waren letztendlich entscheidend über Erfolg und Mißerfolg. Das Verhalten der Forellen widersprach jeder Logik, doch offentsichtlich lohnte es sich, die offensichtliche, nährreiche Beute an der Oberfläche zugunsten kleinster, im Schlupf befindlicher Lebewesen links liegen zu lassen. Sein vorgefestigtes Bild von dümmlichen Besatzforellen musste er nach diesem Erlebnis revidieren.
Die Idee mit Fliegenrute gewappnet an Seeufern entlang zu streifen, um in den flacheren Randzonen den geheimnisvollen Seeforellen, oder eingesetzten Bach- und Regenbogenforellen nachzustellen, ist selbst in unseren Breiten nicht ganz abwegig. Wie lässt es sich sonst erklären, dass 1961 im Paul Parey Verlag eine Übersetzung aus dem Englischen, des ersten ganz wichtigen Buches zum modernen Fliegenfischen in Seen erschien: T.C. Ivens – Fliegenfischen in Seen und Talsperren: Bessere Fänge mit neuen Methoden
Es ist zutreffend, dass sich in jüngerer Vergangenheit mit Ausnahme der Veröffentlichung des tschechischen Autors Karel Krivanecs – Grundlagen der Fliegenfischerei an stehenden Gewässern (2011), kein einziges deutsches Fachbuch sich mit dem Thema Fliegenfischen an Seen beschäftigt. Gemessen am vergleichsweise geringen Beitrag deutschsprachiger Publikationen zur Bibliothek des Fliegenfischens weltweit, überrascht auch diese Zahl wenig.
Dabei ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die Fischerei an Seen in einigen Teilen des deutschsprachigen Raums, kultische Verehrung geniesst. Besonders in der Schweiz tauschen immer mehr Angler die Spinnrute gegen Fliegengerät, um in der Zeit von Dezember bis ins späte Frühjahr eine der zahlreichen Seeforellen zu verführen. Nämlich dann wenn diese, aus den Tiefen der Seen an die Uferzonen aufsteigen. Dorthin wo sich das Wasser durch selbst geringe Sonnenbestrahlung leicht erwärmt, wo sich im abgestorbenen, oder bereits wieder zum Leben erwachten Krautbewuchs, Insekten und andere kleine Wasserbewohner tummeln und umtriebig ihrem Dasein nachgehen.
Und auch an diesen großen, tiefen Seen gilt was auf andere Stillwasser zutrifft: die Masse an vorhandener Nahrung bestimmt die Wahl der Nahrungsaufnahme. Das Fehlen der Brutfische um diese Jahreszeit und das allgemein knappere Nahrungsangebot, lässt Seeforellen darauf zurückgreifen was in Masse an Nahrung vorhanden ist – Zuckmückenlarven, Wasserasseln, Ruderwanzen, Libellen- und Eintagsfliegennymphen. Wenn wundert es also, dass mehr und mehr Fliegenfischer an Seen und Stauseen, speziell im Frühjahr und Anfang Sommer, den Streamer gegen eine Nymphe eintauschen.
Auch Fliegenfischer in Westdeutschland nehmen zunehmend die kurzen Anfahrtswege auf sich, um in den gut gemanagten Flachlandseen und Teichen des Benelux, auf kampfstarke Regenbogenforellen zu fischen. Der Reisefreudigkeit von Fliegenfischern und der leichten Erreichbarkeit europäischer Destinationen in Zeiten von Billigfluglinien ist es zu verdanken, dass mehr und mehr Angler von Ausflügen an die englischen Flachland Stauseen, die irischen und schottischen Kalkstein Lochs, den nahrungsreichen skandinavischen Seen zurückkehren auf der Suche nach einem fischereilichen Erlebnis, dass der Erfahrung an diesen Gewässern, egal ob vom Ufer oder vom Boot gleichzusetzen ist – eine Auflistung der bestehenden Möglichkeiten findet sich am Ende dieses Beitrags.
Im Sogwasser des boomenden Stillwasserfliegenfischens an den oft riesigen britischen Stauseen, entstand eine Szene an begeisterten Gewässermanagern, die den Erfolg der großen Seen im kleinen zu replizieren versuchten. Auch dieses Vorbild wäre in unseren Breiten zur Nachahmung ans Herz gelegt. Kleine, strukturreiche, oft durch Bachzuflüsse gespeiste Seen und Teiche, die maßgeblich zur Entwicklung des Stillwasserfischens beigetragen haben, die aus Liebe zur naturnahen Fischerei mit kaum nachvollziehbarer Ernsthaftigkeit betrieben wurden. Dem geneigten Leser empfehle ich wärmstens das Buch von Alex Behrendt – The Management of Angling Waters (1977).

Noch heute gilt die Veröffentlichung des ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen der auf die Heimkehr verzichtete, als Bibel für nachhaltige Fischereimanagement in England. Landwirtschaftliche Colleges nahmen seine Grundlagen in ihr Lehrprogramm auf und so entstanden über die Jahrzehnte hunderte kleine Stillwasser, die sich dem naturverbundenen Fliegenfischen verpflichtet fühlten. Vom zurecht geschmähten Forellenpuff, ist diese Form der Gewässerunterhaltung Lichtjahre entfernt. Ich zweifle nicht an, dass es hier oder dort auch in unseren Breiten ähnlich geführte Anlagen gibt. Mir sind sie jedoch nicht bekannt und meine Nähe zu zahlreichen Flüssen und Seen, bedingt diese auch nicht zur Ausübung meiner Leidenschaft.
Von Menschen Hand erschaffene Möglichkeiten zur Ausübung des Fliegenfischen, müssen also per se weder verwerflich noch uninteressant sein. Gewissenhaftes Management von Stillwassern erkennt den Wunsch seiner Kunden nach einer herausfordernden Freizeitbeschäftigung und wird sich darum bemühen diese Voraussetzungen zu schaffen. Kommerzielle Teich- und Seeanlagen können somit zu einem wichtigen Element in der Freizeitgestaltung von Erlebnis- oder Erholungsuchenden Menschen werden. Besonders dort, wo der nächste ‘natürliche’ Fluss oder See viele, weite Kilometer entfernt ist.
Nachhaltig, vernünftig und naturnah gestaltet kann der belächelte Forellenpuff, für den Städter zur wichtigen Grundlage werden, sich an das Fliegenfischen heranzutasten. Kann den gebrechlicheren Damen und Herren unter uns Fliegenfischern noch immer die Möglichkeit eröffnen, zwischen Schilflücken die Schnur auszuwerfen und das Abendessen zu fangen. Kann Kindern einen relativ gefahrlosen Einstieg in das Fliegenfischen eröffnen. Kann zum Übungsplatz werden, an dem Techniken und Methoden erprobt und verfeinert werden, bevor man sich an die großen Seen und Talsperren begibt, um sich der Herausforderung zu stellen: Wo finde ich in diesen riesigen Wassermassen bloß den Fisch. Nicht Abschottung und Ausgrenzung, sondern Erweiterung und Verbesserung der Möglichkeiten ist somit der Weg in die Zukunft.
Wie das Stillwasserfischen auf Forellen erholungsorientiert und zugleich herausfordernd auch in Mitteleuropa funktionieren kann, zeigen die offenen und aufgeschlossenen Fliegenfischer des Benelux. Mehrere Teich- und Seeanlagen und Stauseen unterschiedlicher Größe stehen dort dem Freizeitsuchenden bereit.
Belgien:
Stausee Kluizen
Lac de Rabais
Lac de Bambois
Lac de La Strange
Etang de Freux
Holland:
De Ronde Bleek
Die Königsklasse an von Menschenhand erschaffener Seen, befindet sich nach wie vor in England. Für interessierte Leserinnen und Leser an einer Reise nach Rutland Water oder Eyebrook Reservoir bin ich bei Fragen jederzeit da. Gerne übernehme ich auch die Organisation der Reise – Info zu Anreise, Sehenswürdigkeiten und Freizeitaktivitäten, Buchung des Ferienhauses, Guide und Fischereilizenzen. Füllt bitte untenstehendes Formular aus und schlüsselt in einigen Worten auf: wie viele Personen, Zeitpunkt des Urlaubs und ich erstelle ein attraktives Angebot. Freue mich von Euch zu hören – gute Reise und tight lines.
Mehr zum Thema gibt es in unserem Buch: ‚Nymphenfischen – Geheimnisse entlarvt‘ ab sofort unter www.fundae.de
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