

Vor vier Wochen wurde ich noch leicht schief angesehen, als ich aus Köln kommend witzelnd den Ausstellerkollegen beim 2. Oberösterreichischen Fliegenfischertag in Linz den Ellbogen zum Gruß reichte. Lange hielt ich mit der albern anmutenden Begrüßung aber nicht durch. Diejenigen die meine Versuche der Unterbindung von Körperkontakt als etwas übertrieben ansahen, hätten sich an dem Tag noch nicht vorstellen können, dass Zusammenkünfte dieser Art für lange Zeit die letzten gewesen sein sollten. Und von dann an ging es Schlag auf Schlag.
Kaum aus Österreich zurückgekehrt veränderte sich die Lage rasant von Tag zu Tag und eine Hiobsbotschaft jagte die andere.
9.3. Freund Hilmar aus Linz (COPD-Patient) rief an, um von Krankheitssymptomen zu berichten. Als Besucher einer potentiellen Risikoregion – spricht noch wer von Heinsberg nahe Köln – müsste ich laut seines Arztes darüber informiert werden, dass er nach dem Kontakt mit mir verdächtige Auffälligkeiten entwickelte. Der Verdacht sollte sich einige Wochen später als unbegründet herausstellen, mich in dem Moment aber etwas in Unruhe versetzen.
10.3. Die EWF gibt die Absage der zweitägigen Messe bekannt. Für mich als Aussteller ein besonders schwerer Schlag. Der Entfall eines ungefähren Monatsumsatzes generiert an einem einzigen Wochenende, schlägt sich nicht gut auf die Bilanz nieder.
13.3. Die Stadt Köln gibt am jenem Freitag bekannt, dass ab der darauffolgenden Woche die KiTa bis nach Ostern geschlossen bleibt. Zum Glück wurden zu dem Zeitpunkt meine Frau und ich bereits ins HomeOffice entlassen. Wie schwierig es werden würde, Arbeitszeiten multipliziert mit zwei und ganztägiger Kinderbetreuung zu vereinbaren, war uns zu dem Zeitpunkt nicht klar.
15.3. Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn empfiehlt allen Reisenden während der letzen 14 Tagen in die damaligen Risikoregionen Italien, Schweiz, Österreich die Selbstisolation. In Anbetracht der Tatsache, dass wir gleichzeitig unsere kleine Tochter betreuen und unseren Jobs nachgehen müssen, eine wenig belastende Nachricht.
23.3. Bekanntgabe des Beschlusses zur Kurzarbeit. Autsch! Auch an der Stelle kann ich wohl vom Glück reden, mit dem Forelle & Äsche Verlag zumindest auch einer selbstständigen Arbeit nachzugehen. Obwohl festzustellen ist, dass in Woche 3 der Covid-19 Krise ich scheinbar nicht als einziger Konsumentscheidungen genauer abwäge. Die Wirtschaftsprognosen sind anhand der Dauer des Pandemieverlaufs zudem herzlich wenig Optimismus verbreitend.
29.3. Da ist die Forellensaison seit fast zwei Wochen wieder eröffnet und ich komme zum ersten Mal ans Wasser. Und weil der nächstgelegene Fluß der Rhein ist und keine zehn Minuten vor der Haustür liegt, steuere ich die vielversprechendsten Buhnen anstatt der vertrautesten Gumpen an. Nicht Salmoniden sondern die Karpfenartigen sind mein Ziel.
Die Zeit am Rhein erinnert mich in einer Hinsicht immer an meine Anfangsjahre im Fliegenfischen an Londons Walthamstow Reservoirs. Die Fischerei ist hart und oft fruchtlos. Umso süßer schmeckt darum jeder Erfolg, und gelegentlich stellt sich ein absoluter Ausnahmefisch dabei ein.
Leicht neidisch schnappe ich im darüberbrowsen Tipps der Online-Community auf, womit man die Zeit während der Ausgangsbeschränkung sinnvoll verbringen kann. Für uns Eltern einer 3-jährigen Tochter stellt sich eher die Frage, in welchen Tagesabschnitten sich eine Stunde hier und zwei dort stehlen lassen, damit die eigenen Bedürfnisse nicht ganz verkümmern. Klügere Köpfe beginnen sich von nun an auch die Frage zu stellen, welche weitreichenden gesellschaftlichen Veränderungen die Corona-Krise nach ziehen wird.
Angesichts der sich im ein Einknicken befindlichen wirtschaftlichen Lage und der für viele Generationen noch nie da gewesenen Einschränkungen der persönlichen Freiheit, darf man die Pandemie mittlerweile durchaus als epochales Ereignis bezeichnen, befürchte ich. Die Kriegsrhetorik einiger Staatsmänner hingegen ist höchst peinlich. Wenig verwunderlich, dass auch die Ü-70 als große Risikogruppe das Gebot zur Distanz ignorieren. Da lobe ich mir die so oft, und auch jetzt immer wieder gescholtene unaufgeregte, pragmatische Ruhe und Gelassenheit der aktuellen deutschen Regierung bei der Eindämmung der Krankheit.
Mag sein, dass die hierzulande noch immer in vielen Köpfen steckende, über mehrere Generationen übertragenen Erfahrungen des WW2, als auch die Erkenntnisse aus dem SED-gesteuerten Arbeiter- und Bauernstaat, Vorsicht bei weitreichenden Gesetzesbestimmungen walten lassen. Denn soviel steht fest: wird ein Gesetz erst ohne Haltbarkeitsdatum erlassen, wird es auch nicht mehr so schnell wieder abgeschafft. Denn die potentiellen gesellschaftlichen Veränderungen – die Aufnahmen der tonübertragenden Drohnen aus China und Spanien z.B. lassen mir das Blut in den Adern gefrieren – lösen sicherlich nicht nur in mir Zorn aus.
Andere, von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Beschränkungen des gesellschaftlichen Lebens, wirken sich direkt auch auf uns Fliegenfischer aus.
Kontaktverbot und Versammlungsverbot machen es mit der Geselligkeit nicht einfach zur Zeit. Zum Glück ist das Fliegenfischen eine der Selbstisolation förderliche Leidenschaft. Wenn aber selbst das alleinige Sitzen auf einer Parkbank in Bayern in der Zwischenzeit ein Vergehen darstellt, sucht man sich den Stein zum Verweilen bei der Beobachtung des Wasser sehr genau aus. Wenn wie in Sachsen die Distanz zum Wohnort unter Umständen erfragt wird, sobald man auf Polizei oder Ordnungsamt trifft, überlegt man sich besser schon vor dem Aufbruch zum Fliegenfischen, welche Gewässer oder Abschnitte man befischen möchte.
So manch ein Bundesland untersagt selbst die Einreise aus einem benachbarten. Ärgerlich für die fischereilichen Grenzgänger. Auf der Website Angelmagazin.de finden sich aktuelle Informationen zu den sich laufend ändernden Bestimmungen der einzelnen Bundesländer in Bezug auf die Ausübung des Fliegenfischens. Und während hervorragende Wetteraussichten mich grundsätzlich eher davon abhalten ans Wasser zu gehen, werde ich an diesem Wochenende wohl darüber hinweg sehen. Einfach kurz raus Energie und frische Luft tanken. Auch wichtige Grundstoffe bei der Vermeidung von Krankheit und Ansteckung. Denn wer weiß ob nach diesem Wochenende angesichts der erwartenden, erhöhten Bewegungsströme im ganzen Land, die Bewegungsfreiheit nicht noch weiter eingeschränkt wird.
Krisen bergen auch Chancen, wie es gerne heißt. Welche das genau sind bewegt mich nun seit geraumer Zeit. Den ein oder anderen Silberstreif sehe ich durchaus am Horizont. Bis diese Gedanken geordnet und gereift sind, wird die Erkrankungskurve hoffentlich abgeflacht sein. Als Optimist und Glas-halbvoll-Mensch bin ich froh darüber, dass mir das Fliegenfischen ausreichend Platz für Aktivitäten fernab vom Wasser lässt.
Fliegenbinden ist immer eine willkommene Betätigung, wenn ich mich auf etwas konzentrieren möchte, dass negativen Gedanken wenig Platz lässt. Der von den anderen Hausparteien seit eh und je ignorierte, schmale, längliche Grünstreifen zwischen den Gebäuden bietet ausreichend Platz, um den rostigen Wurfarm mit dringend nötiger Muskelerinnerung aufzufrischen. Und schließlich umgibt mich auch noch meine Bücherwand, die mir in unterschiedlichsten Krisenzeiten bereits Ablenkung, Hilfe und Trost gespendet hat.
Alle drei Aktivitäten – Binden, Werfen, Lesen – können die Stunden am Wasser niemals ersetzen. Uns aber auf die Zeit vorbereiten und einstimmen, wenn wir endlich wieder frei von Sorge uns ans Wasser begeben werden, können sie allemal.
Achtsam sein und gesund bleiben, heißt das Gebot der nächsten Tage und Wochen!

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