Ich habe mich eingereiht – in die eine Million große Gruppe an Personen, die in Angelvereinen organisiert sind. Lange dachte ich, die Ungebundenheit vorzuziehen und wöchentlich andere Gewässer besuchen zu wollen. Nach Jahren des Besuchs von Tageskartengewässern machte sich die Erkenntnis breit, dass der gewonnen Flexibilität auch Einschränkungen gegenüber stehen. Ist erst die Tageskarte gebucht, halten mich weder Hochwasser, noch Hitze oder Kälte davon ab, wie besessen von früh bis spät meine Fliegen auszuwerfen. Selbst bei geringer Erfolgsaussicht. Schliesslich habe ich mich von meinem hart verdienten und immer knapp bemessenen Geld getrennt. Sinnlose Mühe!
Und zweitens beneidete ich meine vereinsgebundenen Freunde, wenn ich wieder einmal eine Einladung zum spontanen Ausflug um 18 Uhr ausschlug. Die stille Etatverwalterin hätte mich mit hochgezogenen Augenbrauen gefragt, ob es verantwortungsvoll wäre schon wieder harten Cash zur Ausübung des Hobbys in die Hand zu nehmen. Um diese Frage ein für alle mal im Keim zu ersticken, schlüsselte ich meine Ausgaben des letzten Jahres auf. Die Abrechnung ergab, dass selbst ein Jahresbeitrag von €480 günstiger käme, als die Kosten aller Einzelausflüge aus 2013 zusammen genommen. So beschloss ich, dass vierte neue Vereinsmitglied des FSV Bröltal in diesem Jahr zu werden.
Nicht einzig die Kosten der Fischereiausübung liessen mich diesen Schritt unternehmen. Der mir bekannte Kern der Vereinsmitglieder ist ein fröhlicher, kreativer und hilfsbereiter Trupp, der sein Wissen – egal ob über Standplätze, Fangmethoden, Fliegenbinden oder Gerätebau – gerne auch an Unbekannte weitergibt. Mit Freude und Stolz wird neuen Vereinsmitgliedern als auch Besuchern, das 45km lange Vereinsgewässer vorgestellt. Aktiv werden Mitglieder in die vereinseigene Fischaufzucht involviert, Insektenbestimmungs Lehrgänge werden abgehalten, Wurfkurse durchgeführt, und eine eigene mobile und stationäre App für Wasserverhältnisse und Fangeinträge wurde entwickelt. Zu guter Letzt haben sich Freunde einen Wohnwagen am Campingplatz gemietet und nicht selten geht es für sie Freitag Abend ins Bergische Land nahe Köln, und von dort Montag morgen zurück ins Büro. Mehr Auszeit vom Stress einer gewöhnlichen Arbeitswoche geht kaum – morgens über mit Tau überzogene Wiesen ans Wasser, mittags im Schatten der Birken, abends im Scheinwerferlicht der untergehenden Sonne, bei Dunkelheit vor der Wärme des Grills.
Und da die Vereinsmitgliedschaft auch mit Verantwortung einhergeht, trafen wir uns am zweiten Wochenende zur alljährlichen Ufersäuberung ein. Einer nötigen Tätigkeit wie der Frühjahrsputz oder der Jahresabschluss. Vierzig der mehr als achtzig aktiven Mitglieder trafen sich dieses Wochenende, um die Ufer der Bröl von zivilisatorischem Müll zu befreien. Jeweils zu zweit zog man aus um einen Kilometer Fluss von allen möglichen störenden Unrat zu säubern. Während die großen Teile wie Leitpfosten, Auspuff, Scheinwerfer und Verkehrsschild leicht auszumachen waren, erinnerte mich das Einsammeln der Kleingegenstände an das Sammeln von Psylo-Pilzen auf der Alm. Findet man erst einen und wird die Wahrnehmung des Sehsinns gestärkt – poppen überall, versteckt unter Laub oder eingedrückt in die Erde, Plastikbecher, Kleinflaschen, Textilien und Papier auf. Es kam überraschend wie schnell sich die drei großen Mülltüten füllten, während ich mit gebücktem Rücken wie ein Wichtel am steilen Ufer auf- und absprang.
Den ersten Tag der Forellensaison beschlossen wir am Vereinsmitgliedern vorbehaltenen, 20km langen Streckenabschnitt Los 5-11 zu verbringen. Kam uns doch zu Ohren, dass sich ein in der Nähe befindlicher Fischereiverein – der im Gegensatz zur Bröl keine Karten an Gastfischer ausgibt – sich zehn Mann hoch zur Saisoneröffnung angemeldet hat. Nicht die feine Art wie ich meine! Zeugt zudem von wenig Stolz auf das eigene Gewässer, wenn man nach fünfmonatiger Pause beschliesst, den symbolischen Akt des Auftaktfischens gesammelt an einem Nachbargewässer zu begehen.
Also hoch zum Abschnitt der Bröl, der zu keiner Zeit des Jahres mit fangfähigen Fischen besetz wird, um den genetischen Stamm der autochthonen bergischen Bachforelle zu erhalten. Zu Fischen denen aufgrund ihrer Scheue mit viel Vorsicht begegnet werden muss. Ein knickender Ast, ein umgerollter Stein, kreisförmige Wellen die sich durch den Pool ziehen und schon verabschiedet sich die Bröl Forelle flussaufwärts, oder unter die ausgespülte Uferbank. Aber auch zu Fischen, die sich in einer rauen Umwelt zur Wehr setzen lernten und wenn einmal gehakt, im Kampf die doppelte Größe ihres tatsächlichen Gewichts vermuten lassen.
Hatte ich mich während der ganzen Woche gefreut – in der der Frühling nicht nur anklopfte sondern gehörig gegen die Tür pochte – mit Emergers und Spiders Nahrungsaufnahme willige Forellen zu überlisten, wurde nach dem 10° Temperatursturz am Tag davor schnell klar, ich müsste zu brachialeren Mitteln greifen um Salmo trutta zu einem Biss zu reizen. Die leichte Fliegendose wurde also gegen meine Streamerbox, mit ihren Humungus, Wooly Bugger und Muddler Minnow ausgetauscht, wollte ich nur überhaupt eine Chance besitzen mit einigen Saisonauftaktforellen in Berührung zu kommen.
Vor die Wahl gestellt zwischen Fliegenmustern der Gruppen – Imitation, Illustration, Provokation – greife ich bevorzugt zu Stücken der zweiten Gruppe. Egal ob in Flüssen oder Seen. Doch weiss ich aus eigener Hand um die Anziehungskraft von Reizfliegen in Stillwassern, besonders in der Zeit von September bis April. Fotoberichte gigantischer Bachforellen aus Bächen und Flüssen, haben jedoch in mir den Entschluss reifen lassen, nun auch selbst an unseren Fliessgewässern zu Beginn des Jahres den Streamer zur Fliege der ersten Wahl zu küren. Auch wenn ich noch immer Hemmungen habe, am sieben Meter breiten Flüsschen einen Streamer anzuknüpfen.
Und nicht nur wegen der fehlenden Distanz für einen weiten Wurf. Denn Gefräßigkeit eignen sich Forellen bereits in jungen Jahren an. Der Neuling beim Streamerfischen in Flüssen und Bächen wird vielleicht erstaunt sein, dass nicht nur Forellen Leviathane sich mit Vehemenz auf den treibenden, schwingenden oder gezupften Streamer stürzen. Auch Forellen aus der Kinderstube, ihren erwachsenen Vorbildern um nichts nachstehen wollend, attackieren die Reizfliege mit Ungestüm. Warum auch nicht! Schliesslich gilt es Gewicht aufzupacken, um so schnell wie möglich der Körpergröße für Angriffe auf sich selbst zu entwachsen. Die Elterngeneration macht schliesslich bei der Nahrungsaufnahme nicht vor ihrer Nachkommenschaft halt.
So zogen wir los zu dritt, hoffnungsvoll wenn auch nicht restlos überzeugt von den Chancen, nach langen Monaten endlich wieder einen getupften Räuber in den Händen zu halten. Den Umständen trotzend – 8°, Regen und beißender Wind – suchten wir Rinne für Rinne, Pool um Pool, Rausche um Rausche ab. Warfen unsere Streamer an unterstandsverdächtige Stellen, fütterten Schnur nach – 10, 15, 20 Meter – ließen durch Menden von links nach rechts, unsere Fliegen von einer Seite zur anderen schwingen. Legten Bäuche in die Schnüre um den Schwung des Streamers zu erhöhen oder zu verringern, zupften diesen mal in gleichmäßigen, dann in unregelmäßigen Zügen an uns heran. Ließen den Streamer kurz abtreiben, um ihn dann gleich wieder heran zu ziehen und somit die verzweifelte Anstrengung eines Kleinstfisches in der Strömung zu imitieren. Drei- bis viermal an derselben Stelle. Entsteht – so meine Erfahrung – nicht nach den ersten Würfen Kontakt, wird der vielleicht vorhandene Fisch auch beim zehnten Versuch dem reizvollen Spiel des Marabouschwänzchens die kalte Schulter zeigen.
Schliesslich trat auch ein was wir uns erhofften: der Biss auf die Fliege, die für alle Forellen einen ordentlichen Happen signalisiert. Harte Bisse – nicht das vorsichtige, vielleicht auch gemächliche einsaugen eines Insekts, dass zu hunderten vorbei treibt. Bisse die keinen Zweifel darüber lassen, dass Forelle sich diese Attraktion nicht entgehen lassen möchte. Insbesondere darin liegt die Faszination des Streamerfischens für mich.
Und auch wenn es auch nur für Fische reichte, die maximal an der vorgeschriebenen Mindestgröße kratzten, war der Start in die Saisoneröffnung 2014 ein feierliches Erlebnis. Gemeinsam los zu ziehen, Kameraderie zu erleben und beim ersten Grillen des Jahres im Glutschein der Kohle, Geschichten über den Tagesverlauf auszutauschen und mit klingenden Gläsern auf das Ende der Schonzeit anzustossen.
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Chris Raper says
Hi Tankred,
Nice hear you now have a home water to fish, hopefully you will have more success on the Bröl than the last time we fished down there together. Have a great season, don’t forget next time lunch is on you ;-)
Tankred Rinder says
Hi Chris,
I’m so pleased to hear from you. I’m glad I’ve finally found a club whose water and members I really like.
Well the Bröl is – at least in its upper reaches – a very difficult water to fish, with shy and finicky fish. It is a challenge, I admit. On the positive I already bettered the dreadful result from our outing to the Bröl. MInd you, the water was really coloured when we went. I hope your experience with the Bröl didn’t put you off for ever.
And yes, lunch will be on me. Fancy going to Monschau to the River Rur? Picturesque and big fish!
PS: Amy is asking when she’ll have the chance to sip a G&T at the golf course ;-)
Alex says
Hallo Tankred,
ein sehr schöner Bericht! Da hast Du Dir ein schönes Zuhause ausgesucht, die Bilder zeugen von einem tollen Flüsschen. Bin gespannt, was Du übers Jahr dort erlebst. Bei uns lief es zu Beginn der Saison etwas besser, was die Größe anging. Dafür mussten wir uns mit etlichen anderen Fischern herumschlagen. Da ist das kontrollierte Revier eines Vereins natürlich klar im Vorteil.
Viele Grüße und bis ganz bald
Alex
Tankred Rinder says
Hallo Alex,
es sind in erster Linie Deine tollen Foto- und Erlebnisberichte auf Flybei die mich überzeugten, zu Saisonbeginn öfter den Streamer ans Vorfach zu knüpfen. In der Tat ist die Bröl und der FSV Bröltal ein tolles Gewässer und Verein an dem man sich einfach zu Hause fühlt. Auch wenn die Größe der Fische vielleicht nicht mit anderen mithalten kann – ist halt in erster Linie, zumindest in den oberen Losen, ein sich natürlich reproduzierender Fluss ohne Besatz. Doch auch hier gibt es wahre Riesen, die jährlich gefangen werden. Erfreulich, dass sich die Fischer auf 50km Fluss verteilen. Ist ein Hotspot besetzt, begibt man sich einfach an den nächsten. Freut mich, dass Dir mein Beitrag gefällt und weiterhin fettes Petri Heil für 2014!
Viele Grüße und wirklich bis bald
Tanked