
Die englische Sprache ist gesegnet mit dem größten Vokabular aller Sprachen. So gibt es für das deutsche Wort ‘Ruck’ acht Synonyme, abhängig von der Art und der Intensität der Bewegung. ‘Tug’ ist nur eines davon, welches den Schlag in der Schnur beschreibt, nachdem ein Fisch die Fliege gepackt hat. Dieses Empfinden überträgt sich nicht nur bei mir bis in die Haarspitzen. Wie elektrisiert stehen Fliegenfischer:innen für einen Moment da, bevor es ersichtlich wird, was eben am anderen Ende der Verbindung geschah. Nichts beschreibt die Auswirkung dieser Sensation besser als: The tug is the drug.
Dieser Sucht unterliegen nicht nur Lachsangler, auf die meines Wissens nach der Begriff zurückgeht. Man mag von einem Abhängigkeitssyndrom sprechen, wenn das Verlangen nach dem scharfen Straffen der Schnur gestandene Männer und Frauen dazu bewegt, weite Durststrecken ohne Fang zu ertragen und dennoch Jahr für Jahr erneut eine Woche an einem sündteuren Lachsfluss zu buchen. Nicht wegen der ausgesprochen ansprechenden Landschaft, des kulturellen Erlebnisses oder der Kameradschaft mit anderen Angelnden, sondern überwiegend aufgrund des elektrisierenden Schlags in der Rute, der hypersensible Nervenenden aktiviert.
Der Adrenalinschub beim Biss hängt keineswegs von der Größe des Fisches ab. Die Intensität des Zupackens reicht. Selbst Forellen bescheidener Größe lösen diese Wirkung aus. Besonders dann wenn die Fliege, beschleunigt durch den Wasserdruck, vom gegenüberliegenden Ufer weg in Richtung des eigenen im klassischen ‘Wet-Fly Swing’ fischt. Vermutlich deshalb ist das Fliegenfischen auf Forellen flussab, trotz aller ihm zugeschrieben Unzulänglichkeiten, nicht totzukriegen. Ganz im Gegenteil, mit der wachsenden Popularität von Spey Casting, Trout Spey Fliegenfischen usw. feiert es ein gehöriges Comeback. Ich vermute, es war nie völlig verschwunden. Warum auch?
A. Es ist eine entspannte Fischerei, bei der die Strömung die Köderführung übernimmt, die der Angler mit geschicktem Schnur umlegen (Mending) und Stopps (Leisenring Lift) manipuliert.
B. Es ist eine für Anfänger, Kinder oder all jene deren Würfe und Distanzen noch ausbaufähig sind, perfekt geeignete Technik zum Einstieg um erste Fliegenfischen- und Fangerfahrungen zu erhalten.
Natürlich sagt mir die Logik, dass größere Forellen für die Jagd nach kleinen Nassfliegen nicht wirklich zu begeistern sind. Zudem können sie mich von weitem sehen, wenn ich mich flussabwärts auf sie zu bewege, da sie mit ihren Köpfen flussauf gerichtet an ihrem Fressplatz stehen. Zugleich bedeutet schon eine leichte Riffelung der Oberfläche, dass die Sicht für Fische über ihr Element hinaus, stark eingeschränkt wird. Zu oft musste ich schon miterleben, dass sich mir ein Angler flussab näherte und ich im Gefühl der Überlegenheit seine Taktik belächelte. Beinahe ist es hinfällig zu erwähnen, dass mir das Lachen fast genau so oft im Hals stecken blieb. Also ja, auch flussab werden schöne Fische gefangen, auch wenn sehr viel dafür spricht, sein Glück in der flussauf Fischerei zu suchen.

Seit dem letzten Jahr widme ich mich wieder mehr dieser ursprünglichen Präsentationstechnik des Fliegenfischens: Dem Flussabfischen. Das ergab sich daraus, dass ich mir die Fähigkeiten aus Christopher Rownes und Juergen Friesenhahns Buch ‘Line Poetry: Speycasting mit der Einhandrute‘ beibringen wollte. Im Grunde genommen sind das Richtungswechselwürfe. Was so viel heißt, wie das die direkt flussab vom Fliegenfischer befindliche Leine, mit einer einzigen durchgehenden Bewegung quer zur Strömung oder 45° schräg flussab abgelegt wird, um ein Stück weit mit der Strömung und ein viel größeres Stück im Schwung gegen die Strömung abzutreiben. In welchem Tempo das passiert, bestimmt die Manipulation die Fliegenfischer:Innen auf die Leine ausüben. Punkt. Unnatürlich ja. Den Jagdinstinkt motivierend, ebenfalls.
In Verbindung gebracht wird das Flussabfischen mit dem traditionellen Nassfliegenfischen. Doch denke ich an meine Fliegenboxen, muss ich weit in den hinteren Reihen der Sammlung nachsehen, um eine Box mit klassischen geflügelten Nassfliegen zu finden. Die Flügeln fanden zwar schon W.C. Stewart (The Practical Angler 1857), T.E. Pritt (North Country Flies, 1885) und H.H. Edmonds & N.N. Lee (Brook and River Trouting, 1916) überflüssig, doch sie sind die weitaus charakteristischeren Nassfliegen, als die von diesen Herren bevorzugten Spiders. Die wiederum nennt man in den USA und dem Rest der englischsprachigen Welt Soft-Hackle Flies (dank Sylvester Nemes, 1975) oder Flymphs (James Leisenring and Vernon S. Hidy, The Art of Tying The Wet Fly & Fishing the Flymph).
Die Gründe, die all die Herren vorbrachten – die fehlende Beweglichkeit der Flügelschwingen – kann ich sehr gut folgen. Ob diese Gründe ausreichen, den eleganten traditionellen Mustern die Fähigkeit zum Fang in Abrede zu stellen, wage ich aber zu bezweifeln. Denn das Argument, dass beflügelte Insekten niemals im Wasser zu finden seien, ist auch keines mehr, seitdem belegt ist, dass einige Köcherfliegenarten zur Eiablage unter Wasser tauchen. Viel mehr vermute ich einen Drang zur Vereinfachung hinter den Beweggründen. Soft Hackle Flies sind um einiges weniger aufwendig zu binden, als die uns bekannte klassische Nassfliege. Besonders die exakte Beflügelung ist nicht einfach.
Fliegenmuster, wie auch Angeltechniken, kommen aus der Mode und erscheinen wahrscheinlich auch wieder. Bei der Diskussionen um die heißesten und aktuellsten Muster denke ich stets an John Gierach von dem das Zitat stammt:
Fische mit der falschen Fliege lange genug und sie wird irgendwann zur richtigen Fliege.
Keine Aussage bringt es besser auf den Punkt und lässt sich ebenso auf totgesagte Techniken und Methoden anwenden. Mache einfach, was Spaß macht und der Erfolg stellt sich irgendwann von selbst ein.

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….gutes Statement, gute Gründe, handwerkliche Herausforderung und sinnliche sensorische Aufgeräumtheit während der Swingphase, Beeinflussung der Drift,der Richtung und Geschwindigkeit, gerne paradoxe Einflussnahme auf Drift und Leine, 3D Bewusstsein und Konzentration auf das Wesentliche…, dont drop the Rodtip too low, dont rise it at salmon styles…in between right, less hangover for getting down to hook…, schöner Beitrag👍
Hallo Rolf,
habe mich über deine Zustimmung und das Kompliment zum Beitrag sehr gefreut. Aus deinen Schlagworten ließe sich ja beinahe schon ein weiterer Beitrag zum WIE? des Nassfliegenfischens schreiben. Danke für die Anregung. Die letzte Zeile so zu interpretieren, wie du es beabsichtigst, fällt mir etwas schwer.
…in between right, less hangover for getting down to hook… das lasse ich mir von dir gerne beizeiten erklären. Hat mich sehr gefreut, nach langer, langer Zeit wieder von Dir zu hören. Liebe Grüße, Tankred