Beim studieren der Landkarte während der spannenden Vorbereitungsphase unserer Hochzeitsreise nach Kanada, zirkelte ich eine grob umrissene Route unserer Rundreise. Innerhalb dieser Koordinaten suchte ich nach Möglichkeiten, hier und da Rute mit Rolle zu bestücken, in das kühlende Membran meiner Wathose zu schlüpfen und den örtlichen Salmoniden eine verlockende Verführung vorzusetzen. Vergrößerte ich die vorliegende Karte, um mir von der Topographie der Örtlichkeit ein Bild zu machen, wurden bald nebts einer Menge riesiger Seen, unzählige kleine und mittelgroße Stillwasser auffällig.
Angefeuert von der Idee, ursprünglichen Saiblinge und Regenbogenforellen in diesen entlegenen Gewässern zu finden, recherchierte ich Möglichkeiten und Auflagen, einen dieser Seen mit dem Wohnmobil zu besuchen, ein Camp aufzuschlagen und umgeben vom üppigem grünen Weiden und Wälder inmitten beinahe unberührter Natur, die Schnur zu schwingen. Es dauerte nicht lange fündig zu werden, traf ich doch bei meiner Suche immer wieder auf Berichte einer vermeintlich autochthonen Forellenart – die Kamloops Forelle.
Kamloops liegt im südlichen British Columbia, in der Region Okanagan. Es ist nicht zu übersehen warum die dort ansässigen Einwohner der First Nations – die heutige Bezeichnung für Kanadas Indianerstämme – das Okanagan Tal mit der Phrase ‘Pen Tic Ton’ (‘A Place To Live Forever’) betitelten. Von Gebirgsketten umringt, bewässert von Gebirgsbächen die sich in die beiden mächtigen Hauptflüsse der Region, dem Fraser und Thompson River ergießen, wird das Okanagan von riesigen, tiefen, klaren Seen durchzogen. Die Lachswanderungen in den Fraser und Thompson River zählen zu den größten in ganz Nordamerika. Die Hänge und Talebenen sind fruchtbar und profitieren von Kanadas heißestem Klima und sind versehen mit Obstgärten und Weinbergen.
Das regionale Städtchen Kamloops wurde 1812 während des Goldrausches als Fort gegründet. Bald danach nutzten seine Bewohner die Gelegenheit in einigen der immensen, ungetrübten Seen zu fischen. Der Großteil der höher gelegenen Alm- und Bergseen – prächtig anzusehen wenn diese smaragdgrün in der Sonne schillern – zeigte sich jedoch von Fischen unbewohnt, trotz der hohen Dichte an aquatischer Biomasse. Es lag auf der Hand dass einige Enthusiasten – im wahrsten Sinne des Pioniergeists – Dinge bzw. Fische selbst in die Hand nahmen. Forellen aus den großen Seen wurde in Kübeln auf Pferderücken geschnallt, und entlang entlegener Pfade der Fallensteller, nach und nach in diese klein bis mittelgroßen Gewässer eingesetzt.
Die aus den extremen Tiefen der großen Seen verfrachteten Forellen fanden ideale Bedingungen vor. Gewohnt an karge Jagdgründe, trafen sie hier auf ein Sammelsurium an Bachflohkrebsen (Gammarus), Wasserflöhen (Daphnia), Köcherfliegen, Libellen, Schnaken, Zuckmücken, Steinfliegen, Schnecken und Egeln. Und so sorgten ein oder zwei Dutzend ausgesetzte Forellen pro See für reichlich Nachwuchs, der in den Nahrungsreichen Gewässern in drei bis vier Jahren gehörig an Gewicht zulegte. Von 3-12 Pfund wurde berichtet. Und dieses Gewicht – so wurde bald berichtet – wisse die Kamloops Trout sobald gehakt besser einzusetzen, als ihre nahe Verwandte die Regenbogenforelle.
Von dieser unterscheidet sie sich marginal, durch kleinere Schuppen die sich in größerer Anzahl entlang der Seitenlinie befinden und weniger Strahlen in Rücken- und Afterflosse. Lange Zeit ging man davon aus, dass die Kamloops Trout eine eigene genetische Art darstellt. Später im 20. Jahrhundert kamen Wissenschaftler jedoch zur Überzeugung, dass diese Unterschiede durch umweltbedingte, jedoch nicht genetische Faktoren bestimmt werden.
Die gesammelten Mythen die sich um das Gewicht und die Kampfkraft der Kamloops Trout rankten, trugen massgeblich dazu bei, dass Fischer von nah und fern das Landesinnere British Columbias besuchten. Auch sie wollten mit ihren eigenen Erzählungen nach Hause kehren, von kaum zu stoppenden langen Fluchten und akrobatischen Sprünge. Wen wundert es, dass auch ich mich von der Kamloops Forell mit ihrem blaugrau bis schwarzen Rücken und dem silbernen Körper, der wenig vom violett bis rosa der Regenbogenforelle aufweist, in den Bann ziehen liess.
Und so legten wir fest, nach den Tagen in Vancouver und am Pitt River, die pittoreske traditionelle Route entlang des Trans-Canada Highway Route 1, durch das Fraser Valley mit unserem Wohnmobil zu ziehen. Unser Ziel hieß Lake Alleyne in der Nähe von Merritt. In der Region um Kamloops hatten wir das erste Mal auf unserer Reise das Gefühl, in Kanada auf etwas fremdes, nicht vertrautes zu stossen. Lässt man die spektakuläre Berglandschaft der Coast Mountains im Fraser River Tal erst hinter sich und fährt ab durch das Nicola River Tal in Richtung des 7.000 Einwohner Städtchens Merritt, ändert sich nicht nur das Klima der Region schlagartig. Wir befanden uns im ‘Western’ Land.
Die kargen Berge gehen über in rollende Hügel, gesäumt von dichten Nadelbäumen. Lässt man seiner Fantasie freien Lauf dringen aus den dichten Wäldern, Cowboys, First Nations und Trapper auf ihren Pferden hervor, die lässig als auch stolz erhaben ihre Broncos über die grünen Weiden leiten. Die Ufer des Nicola Rivers lassen einstige Lagerplätze vermuten, an denen Tipis einen Kreis formten. Waren die First Nations Bewohner nicht auf der Jagd, platzierten sie sich vermutlich am Fluss um aufsteigende Coho, Sockeye und Königs Lachse mit Netzen und Speeren abzufangen.
Das Gebiet um Merritt – die Country Music Hauptstadt Kanadas – befindet sich beinahe zur Gänze in Besitz der größten Rinderzucht Kanadas, Douglas Lake Ranch. Die Ranch gehört dem, mir als Fan bekannten Mehrheitseigentümer des Arsenal FC. Einem nicht zur Gänze unumstritttenen US-Amerikaner, der sich durch Immobilien und Sportgeschäfte ein milliardenschweres Imperium schuf. Von Viehweiden umgeben sind einige der Seen im ‘quasi’ Besitz der Douglas Ranch und bieten exklusives Fliegenfischen – sprich teure Lodgeabenteuer – auf in erster Linie Regenbogenforellen- Trophäen.
Da wir bereits einen extravaganten, als Erlebnis jedoch unvergleichlichen Ausflug an den Pitt River festgelegt hatten, entschlossen meine Frau Amy und ich, auf dieses Vergnügen zu verzichten. Anstattdessen holten wir uns für geringe Bezahlung das Recht ein, am Ranchland entlang des Ufers des kostenlos zu befischenden Lake Alleyne, unser Lager aufzuschlagen. Einem der unzähligen Seen, der wahrscheinlich dasselbe Schicksal erfuhr wie die meisten Gewässer des Thompson-Nicola Districts. Eine durch die kanadische Regierung verordnete Systematisierung von Besatzmaßnahmen, am Anfang des 20. Jahrhunderts.
Wurden die Seen jedoch erst mit Fischen aus der Region besetzt, wurden diese sich selbst überlassen. Fand die erste Generation an eingesetzten Kamloops Forellen noch ideale Bedingungen vor, so litten Folgegeneration an fehlender Kontrolle und Regulierung. Der Nahrungsreichtum begünstigte die ungebremste Fortpflanzung und schon bald litten die Seen an einer Überpopulation, die den Wettstreit um das artenreiche Futtervorkommen verschärfte und einen Rückgang der Durchschnittsgröße der Fische bedingte. Somit muss der Mythos der kiloschweren Kamloops Forelle wohl begraben werden. Es ist richtig, dass auch heute noch 10kg+ Forellen beim Trollen in den großen Seen der Region – Adams, Kamloops, Shuswap, Osoyoos Lake – gefangen werden. Das Mittelmass der Kamloops Forelle wird jedoch in der Zwischenzeit bei 1-3 Pfund festgelegt.
In Merritt angekommen, musste ich feststellen das im ansonsten Öffnungszeit freundlichem Kanada, genau an diesem Tag der Tackleshop aus nicht genaueren Begründungen geschlossen hielt. Durch das Schaufenster konnte ich einen echt günstigen Jungle Cock Sattel sehen, der es mir schwer angetan hätte, könnte ich bloß den Laden betreten. Für den Hauptgrund meines versuchten Besuchs, mich mit Kanadischen Buzzers einzudecken – Chrommies, wie diese dort genannt werden – , musste ich auf meine bewährten englischen Chironomiden Imitationen verlassen. Im Grunde genommen identisch zu den kanadischen Mustern, mit der Ausnahme, dass diese meist mit Tungstenperlen versehen sind. Forellen in der Region ziehen es vor die tieferen Wasserbereiche heimzusuchen. Bieten diese zum einen Schutz vor der lauernden Gefahren aus der Luft – dem Fischadler – , zum anderen vor den Seetauchern die in ufernahen Regionen unentwegt nach Fischen tauchen.
Fährt man den Strassen entlang bleibt einem die Begeisterung für Fischerei und Jagd nicht verborgen. Ständig begegnet man 4×4 Fahrzeugen die kleine Boote mit Aussenbordmotor oder Anhänger mit sich ziehen. Unser Wohnmobil konnte beides nicht aufweisen. Mit einem Anhänger wären wir wahrscheinlich auch nur sehr schwer an unseren Lagerplatz gelangt. An Lake Alleyene und seinem öffentlichen Campingplatz angekommen, folgten wir der nur schwer ausfindig machbaren Beschilderung, die uns zur privaten Lagerstätte führen soll.
Die Kombination für das Zahlenschloss am Gatter erhielten wir am Vortag, und die restlichen fünfhundert Meter bis an das Lager schleppten wir uns im Schneckentempo über den Feldweg. Unser Wagen schaukelte wie eine Yacht im Seegang, bei unserer Fahrt über Stock und Stein. Und das Geschirr schepperte bedrohlich als wir uns einen Abhang hinunter liessen, um endlich an unserem Lager anzukommen. Ein Blick auf den Hang hinterliess jetzt schon tiefe Sorgenfurchen, beim Gedanken an die Abreise. Diese werden sich dann am nächsten Tag legen, als die am anderen Ufer versammelte Gemeinde der ‘Young Christians Men Group’ den steilen Anstieg in einem Winnebago bewältigte.
Das Fliegenfischen an British Columbias Seen wird beinahe ausschliesslich vom Boot aus betrieben. Denn die mancherorts steil abfallenden Hügel erschweren das Begehen der Ufer, als auch Rückwürfe. Mir erschien der vor meinen Augen liegende Sandstrand jedoch ideal zur ersten Erkundigung. Liess das glasklare Wasser doch eine zehn Meter lange Landzunge erkennen, die ich entlang waten könne – so dachte ich! Der Strand befand sich tatsächlich auf solidem Untergrund, bloß nahm dessen Dichte mit jedem Zentimeter Wasser rapide ab. Als ich meinen zweiten Schritt ins Wasser setzte, sank ich bis zum Knie ein und muss gestehen, ein wenig in Panik geraten zu sein, beim Versuch mich aus der sandigen Umarmung zu befreien. Endlich wieder auf festem Boden, bleibt mir nichts anderes übrig als die Landzunge zu überwerfen und mich darauf zu verlassen, hinter der steilen Abbruchkante patrouillierende Fische vorzufinden.
Bei der Ausschau nach möglichen Standorten für Fische an Seen, lasse ich mich gerne von Vögeln leiten. Schwalben die schlüpfenden Insekten von der Wasseroberfläche aufgreifen, oder Möwen die sich im speziell im Herbst gerne an den Raubzügen der Forellen beteiligen. Diese stoßen rasch in einen Schwarm von Brutfischen um jene mit einem kräftigen Schlag der Schwanzflosse zu betäuben. Treiben die Brutfische erst unbeweglich im Wasser, werden sie danach von Forellen – als auch Möwen – genüsslich zum Verzehr aufgegriffen. In Lake Alleyene verfuhr ein Seetaucher nach dem selben Prinzip und folgte mir und meinen Standplatzwechseln. Einmal beobachtete ich den Vogel pfeilschnell neben mir durchs Wasser tauchen, bis die Wassertiefe ihn bremste. Die von ihm verfolgte kleine Forelle suchte Sicherheit am Strand, und wartete minutenlang mit entblößtem Rücken, auf das Abziehen des gefräßigen Räubers.
Meine Taktik schien aufzugehen, stellten sich doch die ersten Bisse auf meine Buzzers ein. Zu zaghaft waren aber diese und der solide Zug an der Schnur, der den Zeitpunkt zum Anschlag signalisiert, liess auf sich warten. Ob die Seetaucher dafür verantwortlich waren, oder meine Fliegen die vielleicht nicht ganz dem gewohnten Angebot entsprachen blieben mir ein Rätsel. Der Wechsel auf eine Damsel (Libelle) Nymphe brachten schliesslich den ersten maßigen Fisch an den Haken. Noch relativ zeitig am Vormittag, liess ich den Fisch schwimmen in der Überzeugung ausreichend Gelegenheit vorzufinden, im Laufe des Tages weitere Beute zu machen. Jedoch hatte ich nicht mit der Wechselhaftigkeit des Wetters gerechnet – Schauer, Sonnenschein, Windböen, Gewitter in stündlicher Abwechslung – noch mit der Launenhaftigkeit der Fische. So vergingen Stunde um Stunde und alles was ich am Ende des Tages vorzuweisen hatte, war ein Aussteiger und ein weiterer Fisch, der am nächsten Tag am Grill landen wird.
Und so wollte es nichts werden, am idyllischen Lake Alleyne mit den pfundschweren Kamloops Forellen, mitsamt ihrer kolportierten Kampfkraft und Luftakrobatik. Andeutungen für diese Qualitäten konnte ich an den beiden gefangenen fünfundzwanziger Forellen erkennen, die quirlig im Drill von links nach rechts schossen und für ihre Größe, deutlich über ihrer Gewichtsklasse Widerstand leisteten. Nichtsdestotrotz war der Ausflug den Weg wert. Wo sonst wacht man auf und tritt vor die Wagentür, um in einhundert Metern Entfernung eine Rehfamilie zu sehen, die einem guten Morgen zunickt. Das Lager war trotz der relativen Abgelegenheit gut ausgestattet und sowohl Esstisch und Bänke, Mülleimer als auch Plumpsklo waren vorhanden. Das Frühstück inmitten von Weidenblümchen, der Blick auf den smaragdgrünen See der meine Träume beflügelte, Adler die über unseren Köpfen kreisten und die Präsenz von Fischen unter Beweis stellten, das Pfeifen der auf den Hinterbeinen aufgerichteten Murmeltiere, dass alles trug zu einem erinnerungswürdigen Erlebnis bei.
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Anonymous says
Da will ich auch hin :-(
Tankred Rinder says
Nicht verzagen, das wird schon einmal klappen!
TL Tankred