
© Daniel Price
Wer hätte das für möglich gehalten? Noch bis in die späten 90er Jahre wurde den Äschen in den englischen Kreideflüssen gnadenlos nachgestellt. Und zur Aufgabe eines Flusswarts zählte neben dem Schneiden von Wasserhahnenfuss und der Pflege des Ufers – Bewuchs auf erträglicher Länge halten und Gehwege mähen – das konsequente Entfernen aller ‘unedlen’ Fische. Hechte wurden mit Schlingen gefangen und tausende Äschen wurden aus den Gewässern entfernt. Die Killer Bug erscheint plötzlich in einem anderen Licht.
Äschen wurden als Plage angesehen, die sich geschickt im Futterwettstreit mit Forellen durchsetzten. Am Grund verharrend gelang es ihnen durch ihre Schnelligkeit und den größeren Blickwinkel, die delikat präsentierte Trockenfliege abzufangen, noch bevor diese im Sichtfenster der unter der Oberfläche stehenden Forellen erschien. Das verwirrte die Forellen und ärgerte die Gentlemen die sich einen exklusiven Urlaub am River Test, Itchen oder Avon gönnten.
Alle drei Flüsse verlaufen durch fruchtbares, idyllisches und begehrtes Ackerland. Riesige Anwesen wurden von der Aristokratie, Staatsmännern und Industriellen gesichert und mit ihnen zugleich die Fischereirechte an den höchst produktiven Kreideflüssen. Das vor Millionen von Jahren geschaffene poröse Kalkgestein lässt Regenwasser durchsickern, dass sich in riesigen Hohlräumen – sogenannte Aquifer oder Grundwasserleiter – sammelt, um an anderer Stelle an die Erde zu treten. Die vom Kalkgestein umschlossenen, unterirdischen Stauseen regeln die Temperatur des Wassers und Kreideflüsse weisen somit ganzjährig konstante Wasserversorgung mit geringfügiger Temperaturveränderung auf. Um kein völlig verklärtes Bild aufkommen zu lassen: auch diese Flüsse leiden in der Zwischenzeit unter Urbanisierung und Industrialisierung der Landwirtschaft der letzten Jahrzehnte.
Aber noch immer führen diese Flüsse mineralhaltiges Wasser, dass Pflanzen-, Insekten- und Fischbestand fördert. Der dichte Pflanzenbewuchs fungiert als Filter und verhindert Sedimentation und die Flüsse sind zu fast jeder Zeit glasklar. Dass Zusammenspiel dieser Faktoren – begehrtes Land und Gewässer, hohe Artendichte, der Muße zugewandte und wohlhabende Männer – war wohl mitverantwortlich, dass Kreideflüsse zur Wiege des neuzeitlichen englischen Fliegenfischens wurden. Hier wurden Theorien erforscht, hier wurden Beobachtungen verschriftlicht und im nahe gelegenen London am Höhepunkt des Empires, wurde das Wissen um das Fliegenfischen publiziert und in die Welt getragen. Frederic Halford (River Test), G.E.M. Skues (River Itchen), Frank Sawyer (River Avon) haben in der Zeit von 1870 – 1960, dass Fliegenfischen definiert und revolutioniert, wie wenige vor und nach ihnen.
Das Erbe dieser historisch bedeutenden Entwicklungen macht den River Test zum heiß begehrten Ziel vieler Fliegenfischer. Fischereirechte die gelegentlich auf den Markt kommen werden für astronomische Summen gehandelt. 1,5 Millionen Euro für einen Kilometer Fluss werden von der neuen (Geld)Aristokratie – Rockstars, Sportler, Hedgefonds Managern – locker gemacht, um sich ein Stück Geschichte für das Hobby und für das Entertainment von Gästen zu sichern. Mit wenigen Ausnahmen befinden sich Flussabschnitte in privater Hand von Einzelbesitzern oder Syndikaten und Tageskarten sind nur sehr selten erhältlich. Und dort wo ‘His Lordship’ sein Anwesen für die Öffentlichkeit zugänglich macht, kosten die Tageskarten während der Forellensaison von März-September zwischen 300-600€ abhängig von der Jahreszeit. Selbstredend, dass meine Brieftasche nicht so tief greift.
Doch kaum beginnt die Schonzeit für Forellen wendet sich das Blatt und selbst weniger betuchte Fliegenfischer können es sich leisten, auf den Fußspuren Frederic Halfords an den gepflegten Ufern des River Tests entlang zu streichen. Dank sei der ‘unedlen’ Äsche. Und so gönnte ich mir an meinem Geburtstag vor wenigen Tagen einen Ausflug. Die Tageskarte um 90€ würde ich noch immer nicht als billig bezeichnen, doch verglichen mit den unerschwinglichen Preisen während der Forellensaison, kann man beinahe von einem Schnäppchen sprechen. Besonders wenn man bedenkt, dass im Preis ein Frühstück und ein Mittagessen in einer geräumigen, mit Küche ausgestatteten Fischerhütte inbegriffen sind.
Die sich auf fünf Kilometer Länge erstreckenden Wasserwege – Hauptfluss und Nebenfluss – sind in zehn Abschnitte unterteilt, die jeweils einem Angler zugewiesen werden. Es mag sich nach wenig anhören, 500m Strecke für sich zu haben. Aber erstens gibt es keine rigide Aufteilung der Abschnitte und man fischt einfach dort, wo man einem angelnden Kollegen nicht in die Quere kommt. Zweitens fischt man auf Sicht und nicht wenig Zeit wird damit verbracht, ganz langsam am mehr oder weniger hindernisfreien Ufer entlang zu schleichen, um in den Taschen zwischen den in der Strömung wehenden Wasserhahnenfußfahnen einen Fisch auszumachen und diesen gezielt anzuwerfen. Relativ ungewohnte aber zugleich höchst spannende Form des Fliegenfischens.
Während der Äschensaison wird auch niemand die Nase rümpfen, wenn man geschickt seine Nymphe zwischen Krautfahnen platziert, in der Hoffnung dass ein Fisch sein Versteck zwischen den Pflanzen verlässt und sich von der künstlichen Nymphe verführen lässt. Zur Forellenzeit ist das Nymphenfischen an vielen Gewässern noch immer verpönt und manche Flüsse, Teilabschnitte oder Clubs nehmen sich wie einst das Recht, die Fischerei auf die Trockenfliege zu beschränken. Irgendwie erstaunlich, dass einige der von Frederic Halford erstellten Codes zur ‘ehrenhaften’ Befischung eines Kreideflusses nun tatsächlich beinahe 150 Jahre Gültigkeit besitzen. So auch das Fliegenfischen ausschließlich flußauf. Die Nymphe an sich vorbei treiben und schwingen zu lassen ist selbst zur Äschenzeit untersagt – macht auch Sinn, da der Wet-Fly Swing am ehesten noch Forellen in Aufregung versetzt.
Und diese ‘ärgerten’ mich an diesem Tag trotzdem. Die milden Temperaturen dieses Dezembers konnten diese wohl noch nicht so richtig in ihre Winterlethargie versetzten. Der wilde Forellenbestand hatte sich zwar schon längst woanders hinbegeben, um sich anderen Dingen zu widmen. Der fortpflanzungsunfähige Bestand an triploiden Bachforellen aber war in bester Fresslaune und drehte den Spieß um. Die als gefräßig verrufenen Äschen kamen meistens zu kurz. Einige ‘Ladies of the stream’ fanden aber ihren Weg an meine Nymphe, sodass ich rückblickend zwar nicht die Sternstunden vom Herbst 2009 erlebte – 2 Äschen um die 40cm an einem Tag – aber zufrieden Abends meine Weiterreise nach London antreten konnte.
Das an den Kreideflüssen Englands in den letzten 15-20 Jahren ein Umdenken stattfand, dass es auch weniger betuchten FliegenfischerInnen erlaubt war höchste Zeit. Jedem Fliegenfischer sollte es ermöglicht werden sich gelegentlich an die Wurzeln des modernen Sports zu begeben, um verstehen zu können in welchem Kontext das Fischen mit der Trockenfliege und das Nymphenfischen entstand. Den Fischen dabei zusehen zu können, wie sie elegant im Wasser auf Ausschau auf etwas Fressbares stehen und gelegentlich ein wenig zur Seite ausscheren besitzt eine einzigartige Qualität, wie wir Fliegenfischer sie in unseren Breiten selten erleben können. Wenn das geöffnete weiße Maul sich dann schließt, gilt es abzuwägen ob nun die eigenen künstliche Nymphe oder eine der unzähligen Bachflohkrebse oder Köcherfliegenlarven im Schlund des Fisches verschwand – spannend, spannend, spannend!
Mit meinem Besuch am River Test wollte ich mir aber nicht nur ein Geburtstagsgeschenk machen, sondern auch zwei Termine für Forelle & Äsche Reisen sichern. Interessenten meines Reiseangebots haben mehrfach nach Fliegenfischen an den südenglischen Kreideflüssen gefragt. Beim Aufruf der Tageskartenpreise (300 – 600€) während der Forellensaison, mussten alle aber erst mal ganz tief durchatmen. Nach einigen langen Verhandlungen während der letzten Wochen gelang es mir aber, zwei komplette Wochenenden für die Leser von Forelle & Äsche zu reservieren. Die beiden bereitgestellten Wochenenden im Oktober – 22/23. 10. 2016 und 29/30. 10 2016 – sind für wirklich Interessierte am Fliegenfischen an den englischen Kreideflüssen mit Sicherheit im Bereich des finanziell Möglichen.
Anbei die Details zum Angebot:
▪ 2 x Tage Fliegenfischen am River Test inkl. Mittagessen
▪ Bus Transfer: London Gatwick Flughafen – Stockbridge – London Gatwick
▪ 2 x Übernachtung Bed & Breakfast/ Inn inkl. Frühstück
▪ 1 x Übernachtung London Gatwick Flughafen
▪ 1 x Fischereilizenz
▪ SUMME: ca. 550€ – fester Preis bis März 2016
An- und Abreise nach London sind im Preis nicht inbegriffen. Diese erfolgen auf Eigeninitiative jeweils bis Freitag Mittag. Am frühen Nachmittag geht die Reise weiter nach Stockbridge – einem lieblichen Dorf in Hampshire – wo sich jeder noch mit dem Notwendigsten im örtlichen ORVIS Store ausstatten kann. Samstag und Sonntag wird ganztägig gefischt und gemeinsam am Fluss ein Mittagessen zu sich genommen. Für Abendessen und Getränke kommen Reisende selbst auf. Sonntag späten Abend geht die Reise zurück nach London, von wo aus am nächsten Tag die Rückreise angetreten wird.
Tageskarten für die englischen Kreideflüsse sind relativ exklusiv und nicht einfach erhältlich. Flussabschnitte werden wenn überhaupt in kompletten Losen (Beat) vergeben. Die besuchte Strecke dieses Ausflugs besteht aus zehn Losen und wird an interessierte Gruppen, bestehend aus zehn FliegenfischerInnen auf Tageskartenbasis vergeben.
Für den Termin 22/23. 10. 2016 sind noch vier Karten zu vergeben. Am Wochenende 29/30. 10. 2016 sind noch alle zehn Karten verfügbar. Bitte vermerkt Euer Interesse mit einer kurzen Nachricht sodass ich mit der Planungsumsetzung der Ausflüge beginnen kann. Weitere Details zum Ausflug gibt es bis Ende März 2016 und in der Zwischenzeit bin ich für Fragen gerne da.
Jetzt wünsche ich Euch und euren Liebsten ein frohes Weihnachtsfest und melde mich vorm Jahreswechsel noch mit einem Rückblick auf mein fliegenfischendes Jahr 2015.
Frohe Weihnacht – Merry Christmas – Bon Noel – Feliz Navidad
https://www.youtube.com/watch?v=N81dD-oC-IU
Leave a Reply